Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 148
Zu prüfen ist hier
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inwieweit beide Eltern uneingeschränkt zur gemeinsamen Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, |
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ob ein gemeinsamer Wille zur Kooperation besteht und |
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ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten, das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen. |
Rz. 149
In Fällen, in denen die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht "funktioniert" und es den Eltern nicht gelingt, zu gemeinsamen Entscheidungen im Interesse des Kindes zu gelangen, ist der Alleinsorge eines Elternteils den Vorzug gegenüber dem Fortbestand der gemeinsamen Sorge zu geben. Denn die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung, die sich als oberste Richtschnur an dem so verstandenen Kindeswohl auszurichten hat (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG), setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus und erfordert daher ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen. Zentrale Bedeutung gewinnen damit – objektive – Kooperationsfähigkeit und – subjektive – Kooperationsbereitschaft der Eltern. Ein fehlender Grundkonsens zwischen den Eltern, der zu ständigen Auseinandersetzungen geführt hat und auch in Zukunft weitere Streitigkeiten befürchten lässt, hat ebenso Bedeutung wie die starke Belastung der Kinder durch erhebliche Streitigkeiten der Eltern und die mangelnde Eignung zur Erziehung.
Rz. 150
Vielfach wird auch auf eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern abgestellt.
Bei bestehender gemeinsamer Sorge und beantragter Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil bedarf es in jedem Fall eines konkreten Sachvortrags dazu, dass und bei welchem Anlass und auf welche Weise der das alleinige Sorgerecht erstrebende, betreuende Elternteil sich bemüht hat, mit dem anderen Elternteil ein vernünftiges, sachbezogenes Gespräch zu führen, hierbei jedoch an dessen Verweigerungshaltung gescheitert ist. Dagegen reicht die bloße örtliche Entfernung zwischen den Wohnsitzen der Eltern im Zeitalter von Handy, Fax und E-Mail nicht aus.
Rz. 151
Praxistipp:
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In der Praxis werden vielfach nur allgemeine und pauschale Vorwürfe vorgebracht. Relevant sind aber allein konkret und detailliert beschriebene Umstände! |
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Eine frühzeitige Einschaltung des Jugendamtes empfiehlt sich immer, weil der Stellungnahme des Jugendamtes letztlich eine entscheidende Wirkung zukommt. |
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Ein Antrag nach § 1671 Abs. 1 BGB ist zurückzuweisen, wenn nicht feststeht, dass die Übertragung der alleinigen Sorge auf den Antragsteller die im Sinne des Kindeswohls bessere Alternative gegenüber der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge darstellt. |
Rz. 152
Vermögen die Eltern nach der Trennung eine gemeinsame "Kommunikations- und Problemlösungsebene" nicht aufzubauen und ist dies – prognostisch – auch für die Zukunft nicht zu erwarten, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen und die Sorge demjenigen Elternteil zuzuweisen, bei dem das Wohl des Kindes am besten gewahrt zu werden verspricht. Denn in diesem Fall steht die vom Kind wahrgenommene Zerstrittenheit der Eltern bzw. das anerkannte Desinteresse eines Elternteils an seiner Entwicklung dem Kindeswohl entgegen. Vielmehr gefährdet dann die "gemeinsame Sorge" eher das Kindeswohl.
Rz. 153
Wenn sich der betreuende Elternteil vehement gegen die gemeinsame Sorge wendet und z.B. tiefgreifende Streitigkeiten im Rahmen des Umgangsrechts (mit-)verursacht, hält die Rechtsprechung i.d.R. die gemeinsame elterliche Sorge für ausgeschlossen, weil deren Aufrechterhaltung für das Kind belastenden Streit der Eltern erwarten lässt. Der fehlende Grundkonsens zwischen den Eltern, der zu ständigen Auseinandersetzungen geführt hat und auch in Zukunft weitere Streitigkeiten befürchten lässt, wird ebenso als Begründung angeführt wie die mangelnde Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern, weil sich das Kind wegen des offenkundigen Desinteresses eines Elternteils und der Zerrüttung der Beziehung der Eltern immer wieder als Grund für die Streitigkeiten der Eltern gefühlt habe und sich immer wieder vergegenwärtigen müsse, dass es für die Eltern mit seinen Belangen ein "Zankapfel" sei. Auch die starke Belastung der Kinder durch erhebliche Streitigkeiten der Eltern im Rahmen des in der ehelichen Wohnung praktizierten Wechselmodells wurde als Grund genannt.
Rz. 154
Praxistipp:
Dieser Argumentation ist allerdings mit Vorsicht zu begegnen. Denn sie kann im Ergebnis dazu führen, dass der betreuende Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge blockiert, entsprechende Umgangsrechtsverfahren geführt werden müssen und dadurch angeheizt im gerichtlichen Verfahren erhebliche verbale Angriffe und Streitigkeiten der Eltern den Anschein erwecken, dass die Eltern die Trennung noch nicht vollständig überwunden haben und sich deshalb auch nicht über die Angelegenheiten in der Erziehung der Kinder einigen können.
Rz. 155
Zurückhaltung ist geboten, dann einen Elternteil mit der elterlichen Sorge zu "belohnen", ...