a) Einziehungsklausel
Rz. 291
Mit dem Tod eines Gesellschafters geht der Geschäftsanteil zwingend auf dessen Erben über (§ 15 Abs. 1 GmbHG). Der Gesellschaftsvertrag kann jedoch vorsehen, dass der Geschäftsanteil in diesem Fall eingezogen werden kann. Die Einziehung führt zur Vernichtung des Geschäftsanteils.
Rz. 292
Die Einziehung eines Geschäftsanteils ist nur zulässig, wenn sie im Gesellschaftsvertrag zugelassen ist (§ 34 Abs. 1 GmbHG). Nach Gründung der Gesellschaft kann eine Einziehungsklausel daher nur im Wege der Satzungsänderung begründet werden (§ 53 Abs. 1 und 2 GmbHG). Für den Gesellschafterbeschluss ist nach überwiegender Auffassung Einstimmigkeit erforderlich (§ 53 Abs. 3 GmbHG).
Rz. 293
Soll die Einziehung ohne die Zustimmung des betroffenen Gesellschafters bzw. von dessen Erben erfolgen, müssen die Voraussetzungen der Einziehung (z.B. Tod eines Gesellschafters) im Gesellschaftsvertrag klar geregelt sein (§ 34 Abs. 2 GmbHG).
Rz. 294
Die Einziehung eines Geschäftsanteils ist nur dann zulässig, wenn die Einlage auf den betroffenen Geschäftsanteil voll geleistet ist. Andernfalls käme es zu einem Verstoß gegen den Grundsatz, dass der Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nicht befreit werden kann (§ 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Denn mit der Einziehung geht der Geschäftsanteil unter, so dass auch die mit ihm verbundene Verpflichtung zur Leistung der Einlage erlischt. Haben die Gesellschafter die Stammeinlagen nicht vollständig erbracht, kann eine Einziehung nicht (auch nicht teilweise) erfolgen.
Praxishinweis
In den Fällen, in denen der Gesellschaftsvertrag die Möglichkeit einer Einziehung vorsieht, sollte daher stets auf eine vollständige Einzahlung aller Einlagen geachtet werden.
Rz. 295
Im Falle der Einziehung eines Geschäftsanteils ist die Gesellschaft zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. Die Zahlung der Abfindung darf jedoch nicht aus dem gebundenen Kapital der Gesellschaft erfolgen (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG). Die Einziehung ist daher nur zulässig, wenn es zu keiner Beeinträchtigung des Stammkapitals der Gesellschaft kommt. Kann die Abfindung zumindest teilweise aus dem das Stammkapital übersteigenden Vermögen der Gesellschaft aufgebracht werden, kommt eine Teileinziehung in Betracht.
Praxishinweis
In der Satzung kann die Bildung einer Gewinnrücklage vorgesehen werden (§ 272 Abs. 3 Satz 2 HGB), um sicherzustellen, dass die für die Zahlung der Abfindung erforderlichen Mittel auch vorhanden sind. Daneben kann die Satzung für diesen Fall auch eine Nachschusspflicht der Gesellschafter vorsehen (§ 26 Abs. 1 GmbHG).
Rz. 296
Für die Einziehung des Geschäftsanteils ist ein Gesellschafterbeschluss erforderlich (§ 46 Nr. 4 GmbHG). Für den Beschluss genügt die einfache Mehrheit der Stimmen (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Dabei sind grundsätzlich auch die Erben stimmberechtigt (§ 47 Abs. 4 GmbHG). Allerdings wird die Satzung das Stimmrecht des von der Einziehung betroffenen Gesellschafters regelmäßig ausschließen.
Rz. 297
Die Erben können die Einziehung nicht dadurch umgehen, dass sie den Geschäftsanteil noch vor der Beschlussfassung über die Einziehung veräußern. Der Geschäftsanteil geht dann mit der aufgrund der Einziehungsklausel bestehenden Belastung auf den Erwerber über. Ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb scheidet schon deshalb aus, weil die Möglichkeit der Einziehung aus der Satzung der Gesellschaft ersichtlich ist (s. § 16 Abs. 3 GmbHG).
Rz. 298
Die Einziehung des Geschäftsanteils muss in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod des Gesellschafters erfolgen. Eine Frist von bis zu einem Jahr wird man dabei als angemessen ansehen können. Im Interesse des Rechtsfriedens sollte die Satzung für die Einziehung jedoch eine klare Ausschlussfrist vorsehen.
Rz. 299
Die Erben erhalten im Falle der Einziehung eine Abfindung. Die Höhe der Abfindung richtet sich grundsätzlich nach dem tatsächlichen Verkehrswert des Geschäftsanteils. Der Gesellschaftsvertrag kann die Höhe der Abfindung jedoch beschränken und auch ganz ausschließen. Darüber hinaus sollte die Satzung das Bewertungsverfahren, die Fälligkeit, die Zulässigkeit einer Ratenzahlung und die sonstigen Modalitäten der Abfindungszahlung möglichst präzise regeln (siehe dazu Rdn 79 ff.).
Rz. 300
Mit dem Wirksamwerden der Einziehung geht der Geschäftsanteil vollständig und ersatzlos unter. Alle Rechte und Pflichten aus dem Geschäftsanteil erlöschen. Dies gilt auch für etwaige Rechte Dritter an dem Geschäftsanteil (z.B. Nießbrauchrechte oder Pfandrechte).
Rz. 301
Die Einziehung führt dazu, dass sich die Höhe der Beteiligung der einzelnen Gesellschafter ändert. Dies kann bspw. für das Stimmrecht, den Anspruch auf den Jahresgewinn, die Haftung der Gesellschafter (z.B. nach §§ 24, 31 Abs. 3 GmbHG) oder die Ausübung von Minderheitenrechten (z.B. nach § 50 Abs. 1 GmbHG) von Bedeutung sein. Im Einzelfall kann es auf diese Weise auch zu überraschenden Veränderungen der Mehrheitsverhältnisse kommen.
Beispiel
Am Stammkapital der X-GmbH mit 100.000 EUR sind A mit 40.000 EUR, B mi...