Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 105
Nach § 2080 Abs. 1 BGB ist zur Anfechtung derjenige berechtigt, dem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustattenkommen würde.
Es ist daher ein Vergleich mit der Rechtslage anzustellen, wie sie sich infolge einer wirksamen Anfechtung ergeben würde.
Der Anfechtende muss demgemäß bei Wegfall der betreffenden Verfügung einen erbrechtlichen Vorteil erlangen, den er sonst nicht bekommen würde.
Dabei muss es sich um einen rechtlichen Vorteil handeln, der in einem Erbrecht bestehen kann, aber auch im Erwerb eines Anspruchs (Anfechtung des Vermächtniswiderrufs durch den Vermächtnisnehmer) oder auch im Fall des Wegfalls einer Beschwerung (Anfechtung eines Vermächtnisses oder einer Auflage).
Rz. 106
Bei familienrechtlichen Anordnungen ist der Betroffene zur Anfechtung berechtigt, etwa bei der Bestimmung einer Zuwendung als Vorbehaltsgut des anderen Ehegatten. Der Widerruf einer Testamentsvollstreckernennung kann auch durch den Testamentsvollstrecker angefochten werden. Bei mehreren Anfechtungsberechtigten steht jedem ein selbstständiges Anfechtungsrecht zu; auch die nur von einem Berechtigten erklärte Anfechtung wirkt absolut, d.h., sie kommt auch den übrigen Beteiligten zugute.
Rz. 107
Das einmal entstandene Anfechtungsrecht ist vererblich, jedoch als höchstpersönliches Recht nicht unter Lebenden übertragbar. Weitere Einschränkungen ergeben sich aus § 2080 Abs. 2 BGB, wonach in den Fällen, in denen sich der Irrtum auf eine bestimmte Person bezieht, das Anfechtungsrecht nur dem Betroffenen selbst zusteht. Bei dieser Fallkonstellation können auch andere Personen nicht anfechten, auch wenn ihnen der Wegfall der Verfügung unmittelbar zustattenkommt. Diese Dritten sollen aus einer derartigen Fehlmotivation keinen Vorteil erhalten. Im Fall des § 2079 BGB steht demgegenüber das Anfechtungsrecht nur dem übergangenen Pflichtteilsberechtigten zu (§ 2080 Abs. 3 BGB).
Rz. 108
Der Erblasser selbst ist bei einer einseitigen Verfügung von Todes wegen nicht anfechtungsberechtigt, da er selbst jederzeit frei widerrufen könnte (§§ 2053 ff. BGB). Die Anfechtung einer letztwilligen Verfügung, durch die ein Erbe eingesetzt, ein gesetzlicher Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen, ein Testamentsvollstrecker ernannt oder eine derartige Verfügung aufgehoben wird (§ 2081 Abs. 1 BGB) – desgleichen bei der Anfechtung einer Verfügung, durch die ein Recht für einen anderen nicht begründet wird (Auflage, Ausschließung der Auseinandersetzung, Entziehung des Pflichtteilsrechts), erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Sie kann schriftlich oder auch bloß zu Protokoll abgegeben werden, erfordert jedoch die ausdrückliche Äußerung des Anfechtungswillens, wobei es genügt, wenn dieser wenigstens im Wege der Auslegung entnommen werden kann. Wirksam ist die Erklärung mit Eingang beim örtlich und sachlich zuständigen Nachlassgericht. Dieses nimmt nach positiver Prüfung seiner Zuständigkeit diese zu den Akten und teilt in den Fällen des § 2081 BGB die Erklärung den durch die Anfechtung Begünstigten mit (§ 2081 Abs. 2 BGB). Eine Prüfung der Wirksamkeit der Anfechtung erfolgt bei der bloßen Entgegennahme nicht. Diese ist erst dann zulässig und veranlasst, wenn die erklärte Anfechtung für ein Verfahren vor dem Nachlassgericht von Bedeutung ist, etwa bei einem Erbscheinsverfahren; liegt bereits ein Erbschein vor, der durch die Anfechtung unrichtig wird, ist dies von Amts wegen zu berücksichtigen und der Erbschein einzuziehen. Bei einer Anfechtung in Fällen, die nicht unter § 2081 Abs. 1, Abs. 3 BGB fallen, erfolgt die Erklärung gemäß § 143 Abs. 4 S. 1 BGB formlos gegenüber dem Anfechtungsgegner, das ist jeder, der aufgrund der angefochtenen Verfügung einen unmittelbaren rechtlichen Vorteil erlangt. Insbesondere erfolgt in dieser Weise die Anfechtung der Anordnung oder Aufhebung eines Vermächtnisses.
Praxishinweis
Ist nicht zweifelsfrei geklärt (Frage der Auslegung), ob eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis vorliegt, empfiehlt es sich, die Anfechtung sowohl gegenüber dem Nachlassgericht als auch gegenüber dem Betroffenen auszusprechen.
Rz. 109
Nach § 2082 BGB kann die Anfechtung nur binnen eines Jahres erfolgen; dabei handelt es sich um eine Ausschlussfrist, es ist also keine Verjährungsfrist, und sie ist von Amts wegen zu beachten.
Rz. 110
Den Beweis der rechtzeitigen Anfechtung hat daher der Anfechtende zu führen. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Anfechtungsberechtigten von allen das Anfechtungsrecht begründenden Tatsachen.
Der Anfechtungsberechtigte muss zuverlässig vom Erbfall, der Verfügung sowie dem Irrtum oder die Bedrohung des Erblassers und von dessen Ursächlichkeit erfahren haben.
Daher kann der Fristbeginn nie vor dem Erbfall liegen und der Anfechtungsgrund muss feststehen. Die Frist kann u.U. gehemmt sein, vgl. § 2082 Abs. 2 S. 2 BGB. Hat der Erblasser in den Fällen möglicher Selbstanfechtung das Bestehen der anfechtbaren Verfügung einfach vergessen (sog. "v...