Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 364
Anders als das deutsche Erbscheinsverfahren verlangt der Antrag auf Zeugnisausstellung keinen Sachantrag, sondern nur einen Verfahrensantrag. Gleichwohl kann ein konkreter Antrag zweckmäßig sein, damit das Nachlassgericht erkennt, was der Antragsteller verlangt.
Rz. 365
Über § 35 Abs. 1 IntErbRVG gilt Art. 65 EuErbVO. Die Norm nimmt in Abs. 3 Bezug auf ein umfangreiches Formular, das in der DurchführungsVO (EU) Nr. 1329/2014 abgedruckt ist, Anhang 4 Formblatt IV. Die mit Stern versehenen Angaben sind obligatorisch, diejenigen ohne Stern fakultativ. Das Formular enthält fünf Anlagen, die ggf. dem Antrag beizufügen sind (abweichender Antrag; juristische Person als Antragsteller; Vertreter des Antragstellers; Ehegatte oder ähnliche Partner des Antragstellers; weitere Berechtigte). Die Verwendung des Formulars ist nicht verpflichtend.
Rz. 366
Das Formular gibt den Inhalt von Art. 65 Abs. 3 Buchst. a–m EuErbVO wieder:
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Buchst. a: Angaben zum Erblasser (insb. letzter gewöhnlicher Aufenthalt) |
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Buchst. b: Anschrift und weitere Angaben zum Antragsteller (z.B. Verwandtschaftsverhältnis zum Erblasser) |
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Buchst. c: Vertreter des Antragstellers mit Nachweis der Vertretungsmacht |
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Buchst. d: Angaben zum Ehegatten oder Lebenspartner des Erblassers |
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Buchst. e: Nennung von weiteren Berechtigten |
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Buchst. f: beabsichtigter Zweck des Zeugnisses (zur Prüfung der grenzüberschreitenden Verwendungsabsicht) |
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Buchst. g: Angabe sonstiger Gerichte oder Behörden, die mit der Erbsache befasst waren oder sind |
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Buchst. h: Sachverhalt, auf dem das Recht des Antragstellers am Nachlass beruht |
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Buchst. i: Mitteilung, ob der Erblasser eine letztwillige Verfügung errichtet hat |
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Buchst. j: ggf. Angaben zu einem Ehevertrag oder eheähnlichen Vertrag, den der Erblasser geschlossen hat |
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Buchst. k: Angaben zur Annahme- oder Ausschlagungserklärung der Erbschaft |
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Buchst. l: Erklärung, dass nach Kenntnis des Antragstellers kein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist |
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Buchst. m: sonstige nützliche Angaben (z.B. Ankündigung eines Erbrechtsstreits). |
Rz. 367
Art. 65 Abs. 3 EuErbVO verlangt weiter, dass dem Antrag Urkunden beigefügt werden, die zum Nachweis der Angaben erforderlich sind. Die Urkunden sind entweder in Urschrift oder in Abschrift vorzulegen, wobei unter Abschriften nur solche zu verstehen sind, die die erforderlichen Voraussetzungen für ihre Beweiskraft erfüllen. Hierzu verhält sich die Erbrechtsverordnung nicht, sodass über die Öffnungsklausel in § 35 Abs. 1 IntErbRVG auf § 30 FamFG i.V.m. § 435 ZPO abzustellen ist und damit allein beglaubigte Abschriften öffentlicher Urkunden in Betracht kommen.
Ist es dem Antragsteller nicht möglich, derartige Abschriften vorzulegen, kann das Nachlassgericht nach seinem Ermessen die Vorlage erlassen und sich mit anderen Nachweisen, z.B. der Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung, begnügen, Art. 66 Abs. 2 EuErbVO.
Rz. 368
§ 36 Abs. 2 IntErbRVG nimmt die Öffnungsklausel des Art. 66 Abs. 3 EuErbVO auf und verpflichtet den Antragsteller, vor einem Gericht oder Notar eidesstattlich zu versichern, dass ihm nichts bekannt sei, was seinen Angaben entgegensteht. Daher ist die Vorlage einer neben den Urkundennachweis tretenden eidesstattlichen Versicherung obligatorisch. Das Nachlassgericht kann jedoch dem Antragsteller die Versicherung erlassen, wenn es die Abgabe ausnahmsweise nicht für erforderlich hält.
Rz. 369
Der Antragsteller hat auch den beabsichtigten Verwendungszweck anzugeben und dadurch zu substantiieren, dass ein grenzüberschreitender Erbfall bzw. eine grenzüberschreitende Nachlassabwicklung nicht völlig ausgeschlossen sind, weil Art. 62 Abs. 3 EuErbVO davon ausgeht, dass das Nachlasszeugnis "zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat" ausgestellt wird. Stirbt der Erblasser mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und sind grenzüberschreitende Bezüge nicht ersichtlich, kann das Europäische Nachlasszeugnis nicht beantragt werden. Liegt ein grenzüberschreitender Bezug dagegen vor und wird das Zeugnis erteilt, kann es auch im Inland anstelle eines Erbscheins als Erbnachweis verwendet werden.