Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 144
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.2.2016
Das OLG Düsseldorf hat in einem obiter dictum die Möglichkeit der Umdeutung wechselbezüglicher Verfügungen eines wegen Testierunfähigkeit des einen Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments in wirksame Verfügungen eines Einzeltestaments des testierfähigen anderen Ehegattens dargestellt:
Zitat
"Aber auch die Eigenschaft der Verfügung vom 6.12.2007 als gemeinschaftliches Testament, § 2265 BGB, steht der Umdeutung nicht entgegen."
Allerdings wurde bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Auffassung vertreten, es stehe in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung – insbesondere zu § 2265 BGB –, letztwillige Verfügungen in nichtigen gemeinschaftlichen Testamenten in wirksame umzudeuten. Hernach wurden letztwillige Verfügungen in gemeinschaftlichen Testament nur dann als umdeutungsfähig erachtet, wenn sie nicht wechselbezüglich im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB seien (so noch: KG NJW 1969, 798 und wohl auch Senat, FamRZ 1997, 771 f. sowie für den Fall einer nur einseitigen, d.h. auf die Verfügungen nur einer beteiligten Person beschränkten, Umdeutungsfähigkeit auch OLG Hamm NJW-RR 1996, 1290 ff.). Nach heute ganz überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum gibt es keinen überzeugenden Grund, § 140 BGB nicht insgesamt auf unwirksame gemeinschaftliche Testamente anzuwenden; mit anderen Worten wird auch die Umdeutung wechselbezüglicher Verfügungen unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 140 BGB uneingeschränkt für möglich gehalten.
Im Einzelnen bedeutet dies, dass auch eine als wechselbezüglich gewollte Verfügung eines Ehegatten im Falle der Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung des anderen in eine einzeltestamentarische Verfügung ohne Rücksicht auf den Grund der Unwirksamkeit – mithin auch im Falle einer Testierunfähigkeit – sowie selbst dann, wenn in einem (sogar) notariell beurkundeten Testament die Wechselbezüglichkeit ausdrücklich festgestellt worden ist, umgedeutet werden kann.
Die Vorschrift des § 2270 Abs. 1 BGB ist nicht zwingend, es steht den Testierenden frei, die an die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen Verfügung geknüpfte Rechtsfolge abzumildern oder auszuschließen, und ein solcher Wille kann durch Auslegung ermittelt werden. Demnach darf allerdings die Verfügung nicht ohne weiteres als einzeltestamentarische Verfügung aufrechterhalten werden; es muss sich feststellen lassen, dass der Erblasser die als wechselbezüglich bezeichnete Verfügung auch dann getroffen hätte, wenn er die Unwirksamkeit der korrespektiven Verfügung gekannt hätte. Namentlich bei wechselbezüglichen Zuwendungen an Dritte müssen besondere Umstände vorliegen, damit eine Aufrechterhaltung als einseitige Verfügung in Betracht kommt (zu Vorstehendem: OLG München NJW-RR 2010, 1382 f. und NJW-RR 2014, 1354 f., aber auch NJW-RR 2014, 838 f., jeweils m.w. Nachw.; im Grundsatz auch BGH NJW-RR 1987, 1410 f. und NJW 2011, 1353 ff.; aus dem Schrifttum: MüKo-BGB/Musielak, 6. Aufl. 2013, § 2265 Rn 4–8; Staudinger/Kanzleiter, BGB, Neubearb. 2014, § 2265 Rn 5–14; BeckOK BGB/Litzenburger, Stand: 1.11.2015, § 2265 Rn 20–22; jurisPK BGB/Reymann, Stand: 12.5.2015, § 2265 Rn 14–27.1).“