Rz. 164

Vor dem Nachlassgericht als einem FG-Gericht können auch Vergleiche geschlossen werden. Soweit sich der Vergleich auf den Verfahrensgegenstand bezieht, hat er verfahrensbeendende Wirkung. Diese Rechtswirkung kann auch nicht durch eine Vereinbarung im Rahmen des § 278 Abs. 6 ZPO (Vergleichsabschluss im schriftlichen Verfahren) beseitigt und das Verfahren sodann fortgesetzt werden.[143]

 

Rz. 165

Die Beteiligten können sich auch darauf verständigen, im Erbscheinsverfahren bestimmte Anträge nicht zu stellen bzw. gestellte Anträge zurückzunehmen (pactum de non petendo).

 

Rz. 166

Der BGH hat im Jahr 1986 die Möglichkeit des Abschlusses eines Auslegungsvertrages zwischen den Beteiligten über die Erbenstellung anerkannt, wenn die Auslegung der letztwilligen Verfügung streitig ist.[144] Diese vergleichsweise Einigung erzeugt jedoch keine Bindung des Gerichts.[145] Aufgrund dieses Vertrages haben sich die Beteiligten so zu stellen, als entspräche ihre Einigung der wirklichen Rechtslage, selbst wenn diese sich nachträglich als unzutreffend herausstellen sollte. Um eine solche Einigung herbeizuführen, bedarf es der Mitwirkung aller, deren Rechtsposition betroffen ist – vergleichbar dem Kreis der "materiell Beteiligten" im Erbscheinsverfahren.

 

Rz. 167

Der Auslegungsvertrag fällt unter § 2385 BGB (sog. anderer Erbschaftsveräußerungsvertrag) und bedarf der notariellen Beurkundung (§§ 2033, 2371 BGB) oder des die notarielle Form ersetzenden gerichtlichen Vergleichs (§ 127a BGB). Die Einigung kann sich auf alle erbrechtlichen Positionen beziehen, bspw. Erbenstellung, Vermächtnisansprüche einschließlich deren Kürzung, Pflichtteilsrechte oder Pflichtteilstragungslast. Der Vergleich kann vor dem Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens geschlossen werden,[146] selbst wenn der Rechtspfleger für das betreffende Verfahren zuständig ist,[147] und auch vor dem Schiedsgericht als Schiedsvergleich.[148]

 

Rz. 168

Die von einem Beteiligten durch gerichtlichen Vergleich im Erbscheinsverfahren eingegangene Verpflichtung, gegen einen erteilten Erbschein nicht mehr durch Ausübung von Verfahrensrechten vorzugehen, erstreckt sich auf einen inhaltsgleichen Erbschein, an dessen Erteilung aus besonderen Gründen ein Rechtsschutzinteresse besteht. Ein entgegen dieser Verpflichtung eingelegtes Rechtsmittel ist als unzulässig zu verwerfen.[149]

 

Rz. 169

Weitere Einzelheiten zum Auslegungsvertrag siehe § 10 Rdn 320 ff. und Dressler, ZEV 1999, 289.

 

Rz. 170

 

Formulierungsbeispiel: Testamentsauslegungsvertrag

(Notarielle Urkundenformalien)

Erschienen sind:

1. Herr (…)
2. Frau (…)
3. Herr (…)
4. Frau (…)
5. Herr (…)

Sie erklären mit der Bitte um notarielle Beurkundung:

Wir schließen den folgenden

Erbschafts-Vergleich

I. Darstellung der Rechtslage

Der Vater der Beteiligten Ziff. 1–5, Herr (…), mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in (…), ist am (…) verstorben. Er hat ein notarielles Testament vom (…), beurkundet von Notar (…), hinterlassen und ein privatschriftliches Testament vom (…). Beide Testamente wurden am (…) unter dem Az. (…) vom Nachlassgericht (…) eröffnet und regeln die Erbfolge. In welcher Weise, ist jedoch unklar. Zwischen den Beteiligten besteht Streit, in welchem Verhältnis das zweite Testament zum ersten steht und inwieweit das erste Testament durch das zweite aufgehoben sein soll.

Als gesetzliche Erben kommen alle fünf Beteiligten mit Erbquoten zu je einem Fünftel in Betracht. Weitere Personen, die erbrechtliche Ansprüche an den Nachlass haben könnten – mit Ausnahme von Nachlassgläubigern – sind nicht vorhanden.

Herr (…) und Frau (…), die Beteiligten Ziff. 1 und 2, haben beim Nachlassgericht einen Erbscheinsantrag gestellt, dem die Beteiligten Ziff. 3, 4 und 5 entgegengetreten sind. Das Nachlassgericht hat im Beschluss vom (…) angekündigt, es beabsichtige, dem Erbscheinsantrag stattzugeben. Dagegen haben die Beteiligten Ziff. 3–5 beim Oberlandesgericht (…) unter Az. (…) Beschwerde eingelegt. Über die Beschwerde ist noch nicht entschieden.

II. Vergleichsweise Regelung

1. Erbscheinsverfahren

Alle Beteiligten wollen die Nachlassangelegenheit ihres Vaters hiermit einvernehmlich regeln.

Zu diesem Zweck verpflichten sie sich gegenseitig, den bereits gestellten Erbscheinsantrag aufrechtzuerhalten.

Die Beteiligten Ziff. 3–5, die gegen den Ankündigungsbeschluss beim Oberlandesgericht (…) unter Az. (…) Beschwerde erhoben haben, verpflichten sich, diese Beschwerde unverzüglich zurückzunehmen und keine erneute Beschwerde einzulegen.

Der vom Nachlassgericht angekündigte Erbschein soll mit dem angekündigten Inhalt erteilt werden. Erforderlichenfalls sind entsprechende Anträge von allen Beteiligten zu stellen bzw. gestellte Anträge zu unterstützen.

2. Aufteilung des Nachlasses

Alle Beteiligten verpflichten sich, den Nachlass ihres Vaters unter sich zu gleichen Teilen, also zu je einem Fünftel, aufzuteilen. Dies gilt unabhängig davon, wer im Erbschein als Erbe genannt sein wird. Im Innenverhältnis wird vereinbart, sich so zu stellen, als wären alle Beteiligten...

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