Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 156
Das Anfechtungsrecht stellt ein Gestaltungsrecht dar, sodass es nicht nur darauf ankommt, ob Anfechtungsgründe vorliegen, sondern auch darauf, ob der Anfechtungsberechtigte von seinem Gestaltungsrecht tatsächlich form- und fristgerecht Gebrauch gemacht hat.
Rz. 157
Da der Anfechtungsberechtigte im Falle der Ausübung seines Rechts den Anfechtungsgrund anzugeben hat, ist die Prüfung nur auf diesen angegebenen Grund zu erstrecken. Stehen nachgeschobene Gründe nicht mit den zuvor vorgebrachten Gründen im Zusammenhang, liegt eine neue Anfechtungserklärung vor.
Dazu führt das OLG Düsseldorf aus:
Zitat
"Ob die Anfechtungserklärung gemäß § 119 BGB in Verbindung mit § 1954 BGB einer Begründung bedarf, ist umstritten. In jedem Fall aber beschränkt sich die Ermittlungstätigkeit des Nachlassgerichts auf die Prüfung, ob diejenigen Anfechtungsgründe zutreffen, die der Anfechtungsberechtigte in der Anfechtungserklärung oder später selbst geltend macht beziehungsweise die aufgrund sonstiger Umstände für das Nachlassgericht ersichtlich sind. Werden andere als die in der Anfechtungserklärung genannten Gründe geltend gemacht, liegt eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist. Der Anfechtungsberechtigte kann die ursprüngliche Anfechtungserklärung später noch mit Erläuterungen und Ergänzungen versehen; fehlt es hingegen an einem sachlichen Zusammenhang mit dem zunächst mitgeteilten Sachverhalt, handelt es sich bei dem "Nachschieben von Gründen" tatsächlich um eine neue Anfechtungserklärung."
Rz. 158
Die Feststellungslast für den Anfechtungsgrund trägt im Falle der Irrtumsanfechtung nach § 2078 BGB derjenige, der die Anfechtung geltend macht. Im Falle der Anfechtung nach § 2079 BGB (Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten) wird von Gesetzes wegen ein Motivirrtum des Erblassers vermutet. Deshalb trägt in diesem Fall derjenige die Feststellungslast, der behauptet, der Erblasser hätte den Pflichtteilsberechtigten auch bei Kenntnis von dessen Existenz als Erben übergangen.
Rz. 159
Feststellungslast für Selbstanfechtungsverzicht:
Dazu das BayObLG (Leitsatz):
Zitat
"Bei der Selbstanfechtung eines gemeinschaftlichen Testaments durch den überlebenden wiederverheirateten Ehegatten genügt zur Begründung des Anfechtungsausschlusses gemäß § 2079 Satz 2 BGB nicht die Heranziehung der Motive, die den anfechtenden Ehegatten zu der getroffenen Verfügung veranlasst haben; vielmehr müssen die vor, bei und nach der Testamentserrichtung erkennbaren Umstände die Folgerung zulassen, dass er bei Kenntnis der Wiederverheiratung die spätere Ehefrau enterbt hätte. Gibt es hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte, bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung des § 2079 Satz 1 BGB."