Rz. 89
In letzter Zeit sind die Immobilienwerte stark gestiegen. Aus steuerlicher Sicht ist es deshalb ratsam, mit der Übergabe von Immobilienvermögen nicht bis zum Erbfall zu warten und den Nießbrauch als Gestaltungsmittel zu nutzen. Besonders eignet sich hierzu die Schenkung einer Immobilie unter Nießbrauchsvorbehalt. Hier kann sich der Schenker trotz Übergabe der Substanz die Mieterträge für seine Altersvorsorge zurückbehalten. Gleichzeitig wird die schenkungsteuerliche Bemessungsgrundlage um den Kapitalwert des Nießbrauchs gemindert.
Wird eine Immobilie unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen (insbesondere Schenkung) oder wird ein Zuwendungs- oder Vermächtnisnießbrauch an einer Immobilie begründet, so ist der Nießbrauch für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu bewerten. Im Falle der Schenkung (oder ggf. auch im Erbfall beim Vermächtnisnießbrauch) stellt der Nießbrauch einen Abzugsposten dar, im Falle des Zuwendungs- oder Vermächtnisnießbrauches ist der Nießbrauch in der Regel als Bereicherung des Nießbrauchsberechtigten erbschaft- oder schenkungsteuerlich zu erfassen und löst – je nach Sachverhalt – Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus. Schenkungsteuer kann auch bei Verzicht auf ein bereits bestehendes Nießbrauchsrecht ausgelöst werden. Auch in diesem Fall ist der Nießbrauch zu bewerten.
Der steuerliche Wert eines Nießbrauchs ergibt sich aus dem Produkt des Jahreswerts des Nießbrauchs (siehe Rdn 90) und dem jeweils anzuwendenden Vervielfältiger (siehe Rdn 93).
1. Jahreswert
Rz. 90
Höchstbegrenzung: Der Jahreswert des Nießbrauchs findet in § 16 BewG eine Höchstbegrenzung. Nach dieser Vorschrift darf der Jahreswert höchstens den Wert betragen, der sich ergibt, wenn der Wert des genutzten Wirtschaftsgutes durch 18,6 geteilt wird. Aus diesem Grund ist zunächst die Immobilie auf Grundlage der §§ 176 ff. BewG zu bewerten. Die Ermittlung des Jahreswertes des Nießbrauchs ist Gegenstand aktueller Rechtsprechung. So entschied jüngst der BFH, dass, wenn ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt wird, der Wert des Nießbrauchsrechts die Bereicherung des Bedachten mindert. Der Jahreswert des Nießbrauchsrechts ist unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden. In Abgrenzung dazu urteilte das FG Münster: Übernimmt der Beschenkte bei einer schenkweisen Grundstücksübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt zugunsten des Schenkers bzw. von dessen Ehegatten die auf dem Grundbesitz lastenden Verbindlichkeiten ausschließlich mit dinglicher Wirkung und hat der Schenker weiter die Zins- und Tilgungsleistungen zu tragen, seien diese zur Ermittlung des Jahreswerts des Nießbrauchs nicht abzuziehen.
Beispiel
Der Steuerwert (§§ 176 ff. BewG) der Immobilie beträgt 1 Mio. EUR. Damit beträgt der maximale Jahreswert rund 53.760 EUR (1 Mio. EUR geteilt durch 18,6).
Rz. 91
Ermittlung des Jahreswerts: Der Nießbrauch ist ein beliebtes Konstrukt, um Vermögensübertragungen zu Lebzeiten vorzunehmen. Die steuerliche Ersparnis bei der Schenkungsteuer ergibt sich daraus, dass der Kapitalwert des Nießbrauchs vom Vermögenserwerb abgezogen werden kann. Mit Blick auf die Ermittlung des Kapitalwerts des Nießbrauchs ist eine gründliche Berechnung des Jahreswerts durchzuführen. Zuerst sind die vertraglichen Regelungen zu reflektieren. Sind hier keine spezifischen Bestimmungen aufgeführt, kann man sich an den BGB-Regeln orientieren, wonach sich der Jahreswert nach der Jahreskaltmiete bestimmt und nur um etwaige Zinsleistungen sowie gewöhnliche Erhaltungskosten zu mindern ist. Ein weiterer Abzug, etwa der Abschreibung, scheidet aus. Der nach § 16 BewG ermittelte Jahreswert ist jedoch nur ein Höchstwert. Sofern der nach § 15 BewG zu ermittelnde Jahreswert des Nießbrauchs darunter liegt, ist dieser anzusetzen. Der Jahreswert der Nutzungen und Leistungen bestimmt sich nach den Erträgen, die aus dem Grundstück zu erwarten sind. Da diese in ihrem Betrag ungewiss bzw. schwankend sind, greift § 15 Abs. 3 BewG. Nach dieser Vorschrift ist der Jahreswert der Nutzungen zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird. Hierbei sind alle Einnahmen zu berücksichtigen. Abzuziehen sind die laufenden Aufwendungen, die dem Nießbrauchsberechtigten im Zusammenhang mit den Nutzungen erwachsen oder aus dem Ertrag der Bezüge zu decken sind. Bei dieser Rechnung sind etwaige Steuerbelastungen nicht zu berücksichtigen.
Rz. 92
Schenkung fremdfinanzierter Immobilien unter Nießbrauchvorbehalt: Sofern Immobilien des Privatvermögens unter Vorbehalt des Nießbrauchs verschenkt werden, sind diese in vielen Fällen in erheblichem Maße fremdfinanziert. Zins und Tilgung werden aus den Mieteinnahmen bedient. ...