Dr. Burkhard Göpfert, Maximilian Melles
Rz. 136
Neben der im BetrVG geregelten Mitbestimmung der Arbeitnehmer wirken Arbeitnehmer bei Kapitalgesellschaften und Genossenschaften mit mindestens 500 Arbeitnehmern auch auf Unternehmensebene im Aufsichtsrat mit. Die Mitbestimmung in Unternehmensorganen gibt es nur in Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, nicht in Unternehmen, deren Träger ein Einzelkaufmann, eine Personengesellschaft, eine Stiftung oder ein Verein ist. Der Grund dafür ist u.a., dass Personengesellschaften, BGB-Gesellschaften und Einzelkaufleute auf der persönlichen Mitarbeit und der vollen persönlichen Haftung zumindest eines Teils der Gesellschafter aufgebaut sind und dass sich damit Mitbestimmungsrechte, die in die Unternehmensleitung eingreifen, kaum vereinbaren lassen.
I. Überblick der Gesetze
Rz. 137
Die Mitbestimmung ist unterschiedlich ausgestaltet in mittleren und größeren Kapitalgesellschaften, in Montanunternehmen und in ehemaligen Montanunternehmen. Die Gesetze unterscheiden sich voneinander v.a. nach der Intensität der Mitbestimmung und nach dem Gewerkschaftseinfluss. Die Mitbestimmung wird bei Unternehmen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern durch das MitbestG geregelt, bei Unternehmen der Montanindustrie mit mehr als 1.000 Arbeitnehmern durch das Montanmitbestimmungsgesetz (MontanMitbestG), bei herrschenden Unternehmen, die nicht unter das Montanmitbestimmungsgesetz fallen, sofern der Konzernzweck durch montanmitbestimmte Unternehmen gekennzeichnet ist, durch das Montanmitbestimmungsergänzungsgesetz (MontanMitbestErgG), und bei Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern durch das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG). Ferner sichern das SE-Beteiligungsgesetz (SEBG) in der Europäischen Gesellschaft (SE), das SCE-Beteiligungsgesetz (SCEBG) in der Europäischen Genossenschaft (SCE) sowie das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung (MgVG) in einer aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft bestehende Mitbestimmungsrechte. Die größte praktische Bedeutung hat das DrittelbG, weshalb im Folgenden nur auf dieses eingegangen wird.
II. Drittelbeteiligungsgesetz
Rz. 138
Das DrittelbG regelt die drittelparitätische Mitbestimmung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, d.h. bei den vom DrittelbG erfassten Unternehmen besteht der zu bildende Aufsichtsrat zu einem Drittel aus Arbeitnehmervertretern (§ 4 Abs. 1 DrittelbG).
Der Gesetzgeber verfolgte bei der Einführung des DrittelbG mehrere Ziele:
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Primär sollte eine redaktionelle Neufassung zur Systematisierung des unübersichtlichen Regelungsgeflechts des BetrVG 1952 erreicht werden. |
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Daneben sollte auch gerade das Wahlverfahren modernisiert und vereinfacht werden. |
1. Anwendungsbereich
Rz. 139
Ein Aufsichtsrat mit Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer ist gem. § 1 Abs. 1 DrittelbG grds. in allen Unternehmen in der Rechtsform einer AG, KGaA, GmbH, VVaG oder Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft zu bilden, die i.d.R. mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigen und nicht als Tendenzunternehmen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 DrittelbG) zu charakterisieren sind. Leiharbeitnehmer sind insoweit beim Entleiher zu berücksichtigen, wenn Arbeitsplätze während eines Jahres für mehr als sechs Monate mit Leiharbeitnehmern besetzt sind (§ 14 Abs. 2 Satz 5, 6 AÜG).
Gesellschaften, die erstmals die Schwelle von 500 Arbeitnehmern überschreiten, müssen ein Statusverfahren nach den §§ 97 AktG (i.V.m. § 1 Abs. 1 DrittelbG sowie ggf. i.V.m. § 189 Abs. 3 Satz 1 VAG) durchführen.
Rz. 140
Ausgenommen sind hiervon allerdings Unternehmen, für die das MitbestG, das MontanMitbestG oder das MontanMitbestErgG einschlägig ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 DrittelbG).
Für Alt-Gesellschaften in der Form einer AG oder KGaA, d.h. Gesellschaften, die vor dem 10.8.1994 in das Handelsregister eingetragen worden sind, gilt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 DrittelbG die Mindestbeschäftigungsschwelle von 501 Arbeitnehmern nicht. Vielmehr ist unabhängig von der Arbeitnehmerzahl ein Drittel des Aufsichtsrates mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen, es sei denn, es handelt sich um eine Familiengesellschaft (legaldefiniert in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 DrittelbG).
AG und KGaA, die trotz der Beschäftigung von weniger als 500 Arbeitnehmern als Alt-Gesellschaften unter das DrittelbG fallen, sind also weiterhin zur Vermeidung der drittelparitätischen Unternehmensmitbestimmung darauf verwiesen, ihre Rechtsform bspw. in diejenige einer GmbH nach den Bestimmungen der §§ 190 ff. UmwG formzuwechseln; ein späterer Rück-Formwechsel in die Rechtsform der AG oder KGaA ließe die Unternehmensmitbestimmung nicht wiederaufleben.
2. Zahl der Aufsichtsratsmitglieder und Zusammensetzung
Rz. 141
Nach § 4 Abs. 1 DrittelbG muss der Aufsichtsrat eines der in § 1 Abs. 1 DrittelbG bezeichneten Unternehmen zu e...