Rz. 124
Grundsätzlich fehlt das Feststellungsinteresse, wenn der Kläger dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen könnte. Dieser Vorrang der Leistungsklage gegenüber der positiven Feststellungsklage wird damit begründet, dass für die Fälle, in denen der umstrittene Anspruch besteht, das Rechtsschutzziel der Leistungsklage – Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels – und damit eine endgültige Klärung des Streitstoffs im Feststellungsverfahren nicht erreicht werden kann (siehe auch oben Rdn 1). Aufgrund des daher weitergehenden Streitgegenstands der Leistungsklage begründet eine zuvor – auch bezüglich derselben Ansprüche – erhobene Feststellungsklage keine entgegenstehende anderweitige Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO; siehe auch Rdn 125 sowie § 25 Rdn 133, 144). Verfolgt der Kläger die im selben Verfahren rechtshängige Feststellungsklage nicht weiter, stellt sich die Leistungsklage als eine ohne weiteres zulässige Klageerweiterung dar (§ 264 Nr. 2 ZPO; siehe Rdn 135). Gegenüber einer negativen Feststellungsklage (siehe zu dieser unten Rdn 167 ff.) wird ein Vorrang der Leistungsklage dagegen regelmäßig nicht gegeben sein, weil mit letzterer das Rechtsschutzziel der leugnenden Feststellungsklage nicht erreicht werden kann.
Rz. 125
Neben einer Leistungsklage besteht ein rechtliches Interesse für eine zusätzliche positive Feststellungsklage im Unfallhaftpflichtrecht grundsätzlich nur dann, wenn der entstandene oder noch entstehende Schaden nicht bereits in vollem Umfang durch den Leistungsantrag erfasst ist. Das fehlende Feststellungsinteresse, wenn der gesamte Schaden ziffernmäßig zu überblicken ist, kann der Kläger auch nicht dadurch schaffen, dass er seinen entstandenen und berechenbaren Schaden nur zum Teil mit der Leistungsklage geltend macht und den Rest zur Begründung seines Interesses an der Feststellung verwendet. Wird die Leistungsklage allerdings erst nach der positiven Feststellungsklage erhoben, so entfällt das Feststellungsinteresse – ebenso wie bei einer negativen Feststellungsklage (Rdn 179) – erst dann, wenn die Leistungsklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Der sich daraus ergebende Vorrang der Leistungsklage besteht wiederum auch für den Fall, dass mit der parallelen Leistungsklage lediglich ein Teil der von der positiven Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht wird; in diesem Fall wird die Feststellungsklage teilweise unzulässig.
Rz. 126
Es besteht jedoch keine allgemeine Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage. Eine Leistungsklage kann nach den maßgeblichen Grundsätzen der Prozesswirtschaftlichkeit das Interesse an einer Feststellungsklage ohnehin nur dann ausschließen, wenn ihre Voraussetzungen und Risiken für den Kläger von denen der Feststellungsklage nicht grundlegend verschieden sind. Auch aus materiell-rechtlichen Gründen kann die Verweisung des Klägers auf eine Leistungsklage ausgeschlossen sein (siehe oben Rdn 19). Die Feststellungsklage bleibt schließlich dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Auch prozesstaktisch kann die Erhebung einer "bloßen" Feststellungsklage sinnvoll sein, insbesondere um bei einem Streit um den Haftungsgrund – zunächst – langwierige Beweiserhebungen auch zur Schadenshöhe zu vermeiden.
Rz. 127
Das ist insbesondere der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf. Letzteres gilt für den Fiskus und Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts und ebenso für ("große") Versicherungsunternehmen und Banken, nicht aber ohne Weiteres für privat-rechtliche Körperschaften, auch wenn sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Wenn der Beklagte zwar eine Privatperson ist, hinter ihm jedoch erkennbar ein (Haftpflicht-)Versicherer steht, der faktisch den Prozess führt, sollen die vorstehenden Erwägungen entsprechend gelten. Für eine unbezifferte Feststellungsklage (siehe unten Rdn 207) ist die Erwartung, dass die vorstehenden Institutionen ihrer Leistungspflicht allein aufgrund eines Feststellungsurteils genügen, aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Höhe unstreitig oder zumindest anhand objektiver Vorgaben berechenbar ist, nicht jedoch, wenn wegen des offen Umfangs des festzustellenden Anspruchs keine endgültige Erledigung des Streits zu erwarten ist.
Zu weiteren Einzelheiten bei Feststellungsklagen gegenüber Versicherern – insbesondere auch bei vereinbarten Sachverständigenverfahren – siehe unten Rdn 148 ff.
Rz. 128
Allgemeiner formuliert liegt dem die Überlegung zugrunde, dass im konkreten Fall gesichert sein muss, dass der Rechtsstreit über das Feststellungsb...