Rz. 73
In Unternehmen mit i.d.R. mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nach Maßgabe des § 99 Abs. 1 BetrVG vor jeder Einstellung, Eingruppierung, Umgruppierung und Versetzung zu unterrichten. Änderungskündigungen sind von diesem Mitbestimmungsrecht nur dann betroffen, wenn sie eine Umgruppierung oder Versetzung nach sich ziehen. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme nur dann verweigern, wenn er sich auf einen der in § 99 Abs. 2 Nr. 1–6 BetrVG genannten Gründe stützen kann. Zu berücksichtigen ist, dass die (hier: Umgruppierungs- oder Versetzungs-) Maßnahme, sei sie im Rahmen einer Änderungskündigung erfolgt oder mittels Ausübung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts, ohne Zustimmung des Betriebsrates nicht durchgeführt werden kann. Im Anwendungsbereich der Personalvertretungsgesetze hat die Dienststelle hinsichtlich der Änderungskündigung das Mitwirkungsverfahren und ggf. (z.B. § 75 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG) hinsichtlich einer damit verbundenen Umsetzung das Mitbestimmungsverfahren einzuleiten.
Rz. 74
Praxishinweis
Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Wege der Änderungskündigung, welche der Arbeitnehmer vorbehaltlos oder unter Vorbehalt angenommen hat, geänderte Arbeitsbedingungen angeboten, die eine Versetzung (oder Umgruppierung) beinhalten, und kann nach Ablauf der Kündigungsfrist der tatsächliche Einsatz des Arbeitnehmers auf der neuen Arbeitsstelle wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrates nicht erfolgen, wird der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates durch das Arbeitsgericht beantragen, § 99 Abs. 4 BetrVG. Möglich ist allerdings auch, die personelle Maßnahme (hier: Versetzung) nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig durchzuführen. Das setzt voraus, dass die sofortige Umsetzung der Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist. Der Arbeitgeber hat dann innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates und die Feststellung zu beantragen, dass die Maßnahme aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war (§ 100 Abs. 1 und 2 BetrVG).
Rz. 75
Die Durchführung des Anhörungsverfahrens gem. § 102 BetrVG ersetzt keineswegs das Mitbestimmungsverfahren gem. §§ 99 ff. BetrVG. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der Betriebsrat in den beiden Verfahren zu unterschiedlichen Entscheidungen gelangt. Der Arbeitgeber kann allerdings das Anhörungsverfahren gem. § 102 Abs. 1 BetrVG mit der Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG verbinden. Die Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ist Wirksamkeitsvoraussetzung nur für die tatsächliche Zuweisung des neuen Arbeitsbereichs nach Ablauf der Kündigungsfrist. Ist sie nicht erteilt oder ersetzt, führt dies nicht zur – endgültigen oder auch nur schwebenden – Unwirksamkeit der Änderungskündigung. Auch wird durch die rechtskräftige Abweisung eines Antrags auf Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zu einer Versetzung die Ausführung dieser mit der Änderungskündigung beabsichtigten Vertragsänderung nicht dauernd unmöglich i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB. Der Arbeitgeber kann nur die geänderten Vertragsbedingungen nicht durchsetzen, solange das Verfahren nach § 99 BetrVG nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist; der Arbeitnehmer hat beim Fehlen der Zustimmung des Betriebsrats das Recht, die Arbeit zu den geänderten Bedingungen zu verweigern und ist in dem alten Arbeitsbereich weiter zu beschäftigen, der ihm nicht wirksam entzogen worden ist.
Rz. 76
Das Ergebnis eines im Beschlussverfahren durchzuführenden Zustimmungsersetzungsverfahrens über die zutreffende Eingruppierung (bzw. Umgruppierung) eines bestimmten Arbeitnehmers hat auch auf das individualrechtliche Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Auswirkungen. Der Arbeitgeber kann sich dann im Rechtsstreit über eine Änderungskündigung nicht auf die Maßgeblichkeit einer von ihm vorgenommenen Umgruppierung des Arbeitnehmers berufen, welche dem Ergebnis des Beschlussverfahrens widerspricht.