Rz. 244
Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen berücksichtigen, dass ggf. die gesamte oder Teile der Abfindung vom Arbeitgeber an die Arbeitsagentur zu leisten sind (vgl. BAG v. 9.10.1996 – 5 AZR 246/95, DB 1997, 680 = NZA 1997, 376). Dies ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer Alg bezogen hat, gleichwohl jedoch Ansprüche auf Leistungen ggü. dem Arbeitgeber hat.
Rz. 245
Beispiel
Der Arbeitgeber spricht ggü. dem Arbeitnehmer eine außerordentliche fristlose Kündigung aus und stellt jedwede Zahlung an den Arbeitnehmer ein. Der Arbeitnehmer meldet sich arbeitslos und erhält Alg. Später einigen sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer darauf, dass das Arbeitsverhältnis nicht fristlos, sondern mit ordentlicher Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende beendet wird.
Rz. 246
Die Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber gehen gem. § 115 SGB X auf die BA über. Es handelt sich insoweit um einen gesetzlichen Forderungsübergang gem. § 412 BGB. Die Arbeitsagentur zeigt den Übergang der Ansprüche i.d.R. dem Arbeitgeber unmittelbar im Anschluss an die Arbeitslosmeldung des Arbeitnehmers mittels Überleitungsanzeige an. Ein Übergang des Anspruchs auf Urlaubsabgeltung auf die BA gem. § 115 Abs. 1 SGB X findet dann statt, wenn der Arbeitslose während des Ruhenzeitraums Arbeitslosengeld nach § 157 Abs. 3 S. 1 SGB III erhält (Gleichwohlgewährung). Der Forderungsübergang wird zeitlich durch den Ruhenzeitraum und der Höhe nach durch das in diesem Zeitraum gezahlte Arbeitslosengeld begrenzt (vgl. BAG v. 17.10.2010, NZA 2011, 288 = DB 2011, 2212).
Rz. 247
Die Klärung der Frage, ob bzw. wie hoch der an die BA zu erstattende Betrag ist, kann unter Umständen mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Zur Vermeidung eines Risikos für den Arbeitgeber, insb. dass der Arbeitnehmer möglicherweise aus einem Prozessvergleich die Abfindung vollstreckt, kann eine Regelung zur Höhe und zur Fälligkeit der Abfindung in dem Vergleich bzw. der Aufhebungsvereinbarung entsprechend formuliert werden:
Rz. 248
Muster 27.1: Regelung zur Höhe und Fälligkeit der Abfindung im Fall des § 115 SGB X
Muster 27.1: Regelung zur Höhe und Fälligkeit der Abfindung im Fall des § 115 SGB X
Die Abfindung reduziert sich um den Betrag, der gem. § 115 SGB X auf die BA übergegangen ist. Die Abfindung wird erst dann fällig, wenn die zuständige Arbeitsagentur dem Arbeitgeber darüber einen entsprechenden Bescheid erteilt hat.
oder
Die Abfindung ist erst dann und nur in der Höhe fällig, wie die Arbeitsagentur einen entsprechenden Anspruchsverzicht gegenüber der Firma wegen der gem. Überleitungsanzeige mitgeteilten möglichen Ansprüche von Herrn/Frau _________________________ gegenüber der Firma erklärt hat.
oder
Die Abfindung wird unter Berücksichtigung des von Herrn/Frau _________________________ empfangenen Alg von der Firma abgerechnet und der verbleibende Betrag an Herrn/Frau _________________________ binnen vier Wochen ausgezahlt.
Rz. 249
Wollen die Parteien im Innenverhältnis von der gesetzlichen Regelung der Anrechenbarkeit der Abfindung abweichen, müssen sie dies – i.d.R. ausdrücklich – vereinbaren. Allgemeine Ausgleichsklauseln in der Aufhebungsvereinbarung bedeuten nicht, dass die Parteien von der im Innenverhältnis bestehenden Rückzahlungspflicht des Arbeitnehmers abweichen wollen (vgl. BAG v. 9.10.1996 – 5 AZR 246/95, DB 1997, 680 = NZA 1997, 376).
Rz. 250
Muster 27.2: Keine Reduzierung der Abfindung im Fall des § 115 SGB X
Muster 27.2: Keine Reduzierung der Abfindung im Fall des § 115 SGB X
Die Parteien vereinbaren ausdrücklich, dass die Abfindung sich nicht um den Betrag reduziert, der gem. § 115 SGB X auf die BA übergegangen ist.
Rz. 251
Macht die BA geltend, einen Teil der zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbarten Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes sei wegen der Gewährung von Alg auf sie übergegangen, sind für die gegen den Arbeitnehmer gerichtete Klage auf Zustimmung zur Auszahlung des vom Arbeitgeber hinterlegten Betrags die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen v. 24.4.2020 – L 7 AL 52/19, juris, unter Bezug auf BAG v. 12.6.1997 – 9 AZB 5/97, DB 1997, 1828 = NZA 1997, 1070).
Rz. 252
Zahlt der frühere Arbeitgeber eines Arbeitslosen eine Abfindung trotz Forderungsüberganges auf die BA wirksam an einen Gläubiger des Arbeitslosen, so hat der Arbeitslose der BA den durch die Schuldtilgung erlangten Anteil i.H.d. Alg zu erstatten. Hat der frühere Arbeitgeber die Abfindung in Kenntnis des Forderungsübergangs auf die BA an den Gläubiger des Arbeitslosen gezahlt, kann die BA die Verfügung genehmigen und den Erstattungsanspruch gegen den Arbeitslosen geltend machen, ohne zuvor gegen den Arbeitgeber vorzugehen (vgl. BSG v. 24.6.1999, NZS 2000, 201).