§ 27 Auslandsberührung / II. Art und Umfang der Tätigkeit des Nachlassgerichts

Rz. 129

Das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit spielt im Erbrecht sowie im internationalen Erbrecht eine große Rolle. Die Tätigkeiten der Nachlassgerichte in Erbsachen sind sehr vielfältig. Sie reichen derzeit vom Aufgreifen des Erbfalls, nachdem eine entsprechende Mitteilung durch Anzeige Hinterbliebener oder aber des Ortsgerichts^[282] erfolgt ist, der Sicherung des Nachlasses, der Eröffnung von Testamenten bis hin zur Erteilung des Erbscheins, des Testamentsvollstreckerzeugnissen^[283] oder des ENZ.

Rz. 130

Hatte der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, so ist gem. Art. 4 EuErbVO bzw. Art. 343 Abs. 1 FamFG das Nachlassgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten Aufenthalt hatte. Die nachfolgenden Aufgaben wurden bereits international im Falle der Zuständigkeit bejaht:^[284]

▪	Bestellung eines Nachlasspflegers zugunsten des Erben[285]
▪	Anfechtung eines Testaments[286]
▪	Ablieferung und Verwahrung eines Testaments[287]
▪	Entlassung eines Testamentsvollstreckers[288]
▪	Errichtung eines Inventars[289]
▪	Annahme bedingter Erberklärungen[290]
▪	Entgegennahme der unter Vorbehalt abgegebenen Erklärung der Annahme der Erbschaft[291]
▪	Ausschlagung der Erbschaft[292]
▪	Bedingungslose Annahme der Erbschaft
▪	Anfechtung eines Testaments[293]
▪	Ablieferung und Verwahrung eines Testaments[294]
▪	Entlassung eines Testamentsvollstreckers[295]
▪	Erstellung eines ENZ.[296]

Rz. 131

Diese Aufzählung ist nicht abschließend. Es scheint angebracht, die internationale Zuständigkeit der inländischen Nachlassgerichte immer dann anzunehmen, wenn der Erblasser im Todeszeitpunkt seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte gem. Art. 21 Abs. 1 EuErbVO, § 343 Abs. 1 FamFG oder aber Deutscher war und der Anwendungsbereich des § 343 Abs. 2 oder Abs. 3 FamFG eröffnet ist. Dieser Anwendungsbereich ist jedoch dann versagt, wenn der Deutsche zwar seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte, aber dies ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Für diesen Fall ist das zuständige Gericht ausschließlich über Art. 4 EuErbVO zu bestimmen. Die Anwendung des § 343 Abs. 2 und 3 FamFG bleibt dann versagt.^[297] Des Weiteren sind die deutschen Nachlassgerichte zuständig, wenn sich Nachlassgegenstände im Inland befinden und diese der "Fürsorge" durch ein inländisches Gericht bedürfen.^[298] Jedes Gericht i.S.d. EuErbVO kann darüber hinaus Sicherungsmaßnahmen i.S.d. Art. 19 EuErbVO ergreifen. Das Nachlassgericht ist ein Gericht i.S.d. EuErbVO. Dies gilt auch dann, wenn in Hauptsache ein anderes Gericht i.S.d. EuErbVO zuständig ist. Das im Inland ansässige Nachlassgericht hat dabei das Hauptsachegericht über die getroffenen Maßnahmen in Kenntnis zu setzen.^[299]

[282] In Bayern bei Vorhandensein von Grundstücken (Art. 37 AGGVG) sowie in Baden-Württemberg bei Vorhandensein von Nachlassvermögen (§ 41 LFGG) erfolgt die Aufgreifung des Erbfalls von Amts wegen (vgl. hierzu Würzburger Notarhandbuch, Teil 4, Kap. 2, S. 2071 Rn 26).

[283] MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB Rn 313.

[284] Aus MüKo/Birk (2010), Art. 25 EGBGB Rn 320.

[285] BGHZ 49, 1; BayObLGZ 1963, 52; Pinckernelle/Spreen, DNotZ 1967, 200.

[286] KG JR 1976, 200.

[287] KG OLGE 18, 374.

[288] OLG Frankfurt am Main OLGZ 1977, 180; OLG Hamm OLGZ 1973, 289.

[289] BayObLGZ 1965, 423; Heldrich, NJW 1967, 417 ff.; Pinckernelle/Spreen, DNotZ 1967, 217 f.

[290] BayObLGZ 1967, 197, 203 f., 338, 342.

[291] BayOblGZ 1965, 423, 429.

[292] BayObLGZ 1965, 429; LG Hagen FamRZ 1997, 645; Soergel/Kegel (11. Aufl.), Vor Art. 24 EGBGB Rn 62.

[293] Interlokal: KG JR 1976, 200.

[294] KG OLGE 18; 374; interlokal: KG NJW 1970, 390, 391.

[295] OLG Frankfurt OLGZ 1977, 180; interlokal OLG Hamm OLGZ 1973, 289. Die internationale Zuständigkeit zur Ernennung eines Testamentsvollstreckers wurde hingegen abgelehnt durch OLG Neustadt JZ 1951, 644.

[296] Dutta/Weber/Dutta, IntErbRVG, § 34 Rn 12 ff.

[297] EuGH vom 21.6.2018 – C20/17 NJW 2018, 2309; DNotZ 2018, 699; ZErb 9/2018.

[298] Vgl. hierzu BayObLGZ 1999, 296, 303; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1398; OLG Köln DNotZ 1993, 173.

[299] MüKo/Dutta, EuErbVO, Art. 19 Rn 5.