Entscheidungsstichwort (Thema)
Internationale Zuständigkeit für die Bekanntgabe eines in Deutschland verwahrten und eröffneten Testaments
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 4 EuErbVO auf das - weitere - Testamentseröffnungsverfahren
2. Das Nachlassgericht ist jedenfalls dann für die Bekanntgabe eines in Deutschland in amtlicher Verwahrung befindlichen und bereits eröffneten Testaments eines im Ausland verstorbenen deutschen Erblassers international zuständig, wenn die Durchführung des weiteren Verfahres in einem Drittstaat vernünftigerweise nicht erwartet werden kann.
Normenkette
EuErbVO Art. 4, 11; FamFG §§ 5, 343, 348, 350
Verfahrensgang
AG Gelnhausen (Beschluss vom 16.01.2020; Aktenzeichen 01-16) |
Tenor
Das erstinstanzliche Aktenzeichen wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Als örtlich zuständig für das weitere Eröffnungsverfahren (Bekanntgabe gemäß § 348 Abs. 3 FamFG) wird das Amtsgericht Lichtenfels bestimmt.
Gründe
I. Der am XX.XX.2018 verstorbene Erblasser war deutscher Staatsangehöriger mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Thailand. Er war in zweiter Ehe seit dem XX.XX.2010 mit Vorname1 A verheiratet. Sein letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland war bis Juli 2014 in Lichtenfels. Der Erblasser bezog eine Pension als ehemaliger ...beamter und war beihilfeberechtigt. Der Erblasser hatte drei Kinder und möglicherweise ein Adoptivkind. Der Vater des Erblassers ist vorverstorben. Der Erblasser hat noch einen Bruder.
Der Erblasser hatte mit notarieller Urkunde vom 25.09.1996 mit seiner ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet (Bl. 25 d.A.), in dem die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben und Abkömmlinge als Schlusserben einsetzten. Dieses haben die Eheleute beim Amtsgericht Gelnhausen in amtliche Verwahrung gegeben (Bl. 1,3 d.A.). Nach dem Tod des Erblassers erklärten die Töchter des Erblassers Vorname2 A und B - diese zugleich für ihre Kinder - die Ausschlagung der Erbschaft (Bl. 21, 22 d.A.) gegenüber dem Amtsgericht Lichtenfels.
Das Amtsgericht Lichtenfels hat mit Verfügung vom 27.05.2019 (Bl. 21 d.A.) die Ausschlagungserklärung von Vorname1 A an das Amtsgericht Gelnhausen übersandt und darauf hingewiesen, dass es gemäß Art. 4 EuErbVO von der Zuständigkeit der thailändischen Behörden ausgehe.
Das Amtsgericht Gelnhausen eröffnete am 29.05.2019 die Verfügung von Todes wegen vom 24.09.1996 und gab das Verfahren gemäß §§ 350, 343 Abs. 3 FamFG an das Amtsgericht Berlin-Schöneberg ab (Bl. 24, 30 d.A.).
Das Amtsgericht Schöneberg hat sich mit Beschluss vom 24.06.2019 (Bl. 43 d.A.) für unzuständig erklärt und die Sache an das Amtsgericht Gelnhausen zurückverwiesen. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg sei gemäß Art. 4 bzw. 10 EuErbVO nicht gegeben. Eine inländische Zuständigkeit gemäß § 343 Abs. 1, bis 3 FamFG bzw. § 34 Abs. 3 IntErbRVG sei nicht ersichtlich. Das Verwahrgericht habe in eigener Zuständigkeit den letzten gewöhnlichen (inländischen) Aufenthalt zu ermitteln.
Das Amtsgericht Gelnhausen übersandte den Vorgang mit Verfügung vom 05.09.2019 an das Amtsgericht Lichtenfels mit der Bitte um Prüfung und Übernahme im Hinblick auf den letzten bekannten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in Lichtenfels (Bl. 59 d.A.). Es handele sich hier nicht um eine Entscheidung in Erbsachen sondern lediglich um die weitere Bearbeitung der Testamentseröffnung bzw. der Benachrichtigung bei Ausschlagungen.
Mit Beschluss vom 18.11.2019 (Bl. 63 ff d.A.) hat sich das Amtsgericht Lichtenfels für örtlich unzuständig erklärt und das Verwahrungsverfahren an das Amtsgericht Gelnhausen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die nachlassgerichtliche Zuständigkeit liege gemäß Art. 4,10 EuErbVO bei den thailändischen Behörden. Es sei kein Nachlassvermögen im Inland vorhanden, so dass auch eine subsidiäre Zuständigkeit nicht gegeben sei. Es habe nur gemäß § 344 Abs. 7 FamFG die Ausschlagungserklärung entgegengenommen. Dies begründe keine allgemeine Zuständigkeit als Nachlassgericht.
Nachdem auch das Amtsgericht Schöneberg mit Verfügung vom 13.12.2019 (Bl. 68 d.A.) weiterhin eine Zuständigkeit abgelehnt hat, hat sich das Amtsgericht Gelnhausen mit Beschluss vom 16.01.2020 (Bl. 82 d.A.) für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht gemäß § 5 Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des zuständigen Nachlassgerichts vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zum Nachlassvermögen auch Passiva gehören dürften. Jedenfalls dürften Forderungen des Erblassers auf Pensionszahlungen und Beihilfeansprüche gegenüber der Postbeamtenkrankenkasse bestehen. Dies hätte bislang noch nicht abschließend geprüft werden können. Soweit kein Vermögen vorhanden wäre, würde die EuErbVO nicht greifen, so dass § 343 FamFG subsidiär zur Anwendung kommen würde. Es sei nicht ersichtlich, dass hier ein deutsches Gericht überhaupt nicht zuständig sein sollte, sondern eine ausschließliche Zuständigkeit einer thailändischen Behörde greifen ...