Rz. 60
Auch wenn in der Praxis die Fälle, in welchen der Erblasser vor dem 17.8.2015 verstorben ist, inzwischen fast zur Ausnahme gehören, so ist die Beschreibung der alten Rechtslage noch immer von Praxisrelevanz. Typische Fälle, in welchen die alte Rechtslage von Bedeutung ist, sind langwierige und langjährige Gerichtsverfahren oder aber Anträge auf Einziehung von Erbscheinen, welche vor Einführung der EuErbVO erteilt wurden. Auch können gerichtliche Streitigkeiten von Erbengemeinschaften nach der alten Rechtslage zu beurteilen sein. Im Nachfolgenden findet sich eine gestraffte Zusammenfassung der Bestimmung des Erbstatuts bis zum 17.8.2015, auf welcher der Praktiker im Bedarfsfall zurückgreifen kann:
Rz. 61
Ist der Erblasser vor dem 17.8.2015 verstorben, so wird das Erbstatut anhand der bis dahin geltenden Normen des EGBGB bestimmt. Soweit es die Instrumentarien des Erbscheins sowie der Verfahren nach der Freiwilligen Gerichtsbarkeit anbelangt, so findet sich eine entsprechende Überleitungsvorschrift in Art. 229 § 36 EGBGB.
Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. stellt als Anknüpfungspunkt auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes ab. Die Feststellung der Staatsangehörigkeit wiederum erfolgt anhand des Staatsangehörigkeitsrechts des jeweiligen Staates. Das deutsche Recht kennt einen sog. Begriff des "Deutschen". Er umfasst sämtliche Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sämtliche deutsche Bürger, welche auf dem Gebiet der ehemaligen DDR geboren sind, Personen, welche vom NS-Unrechtsregime (zwangs)ausgebürgert wurden sowie Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG. Fragen des Erwerbes der deutschen Staatsbürgerschaft durch Adoption, Heirat oder Einbürgerung bzw. dessen Verlust durch Entlassung oder Erwerb einer ausländischen Staatsbürgerschaft auf Antrag sind durch einfaches Gesetz geregelt.
1. Besonderheiten bei Erbfällen mit Bezug zur ehemaligen DDR
Rz. 62
Bei Erbfällen mit Auslandsberührung, welche gleichzeitig noch einen Bezug zur ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik aufweisen, ist zudem noch Art. 236 EGBGB zu beachten. Spielt der Fall zeitlich vor dem 3.10.1990 und bildet einen abgeschlossenen Vorgang, so sind die bis zur Wiedervereinigung geltenden Kollisionsnormen der DDR anzuwenden. Danach sind nur noch die Kollisionsnormen der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden.
2. Besonderheiten bei Doppelstaatlern/Mehrstaatlern
Rz. 63
Besitzt ein Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes mehrere Staatsangehörigkeiten, so ist bei der Bestimmung des Erbstatuts auf die Staatsangehörigkeit abzustellen, mit welcher der Erblasser am engsten verbunden war. Besaß der Erblasser neben einer weiteren Staatsangehörigkeit auch die deutsche, so geht diese bei der Bestimmung des Erbstatuts stets vor. Zu beachten ist bei Doppelstaatlern ferner, dass die bilateralen Staatsverträge bzw. Niederlassungsabkommen keine Anwendung finden. Hierfür gibt es schlicht keinen Grund. Nach herrschender Meinung geht die deutsche Staatsbürgerschaft ohnehin der anderen Staatsbürgerschaft vor. Das Abkommen soll nur für Personen gelten, die ausschließlich die eine oder die andere Staatsbürgerschaft eines derer Länder besitzen, welche ein Niederlassungsabkommen abgeschlossen haben. Ziel der einzelnen Abkommen ist es in der Regel, dass diesen Staatsbürgern die gleichen Rechte zukommen wie den eigenen Staatsbürgern. Wer beide Staatsbürgerschaften besitzt, bedarf einer solchen Privilegierung nicht, da er durch die beiden Staatbürgerschaften bereits in den Besitz dieser Privilegien gelangt ist.
3. Annahme der Verweisung
Rz. 64
Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. spricht eine Verweisung auf das Heimatrecht (Staatsangehörigkeit) des Erblassers aus. Stellt nun auch das Heimatrecht des Erblassers bei der Anknüpfung der Rechtsnachfolge von Todes wegen auf die Staatsangehörigkeit des Erblassers zum Todeszeitpunkt ab, so nimmt es die in Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. ausgesprochene Verweisung in aller Regel an. Infolgedessen kommt das Heimatrecht des Erblassers zur Anwendung. Das fremde Recht ist nach seinen Maßstäben anzuwenden (lex causae). Sämtliche Qualifikationsfragen sind nach dem fremden Recht zu beurteilen, es sei denn, dass das fremde Recht selbst eine Qualifikationsverweisung ausspricht.
4. Rück- und Weiterverweisung
Rz. 65
Wird die in Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. ausgesprochene Verweisung auf das Heimatrecht des Erblassers nicht angenommen, so ist zu prüfen, welchen Anknüpfungspunkt zur Bestimmung ...