a) Körperbehinderung
Rz. 58
Eine Körperbehinderung ist grundsätzlich unbeachtlich, jedenfalls solange Taxen und öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden können (OLG Frankfurt NZV 1994, 286). Das gilt selbst, wenn der Betroffene zusätzlich eine 37-jährige unbeanstandete Fahrpraxis hinter sich hat (OLG Hamm DAR 2007, 152).
Eine Ausnahme soll erst bei einer querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrerin möglich sein (OLG Frankfurt DAR 1995, 260), wohingegen das OLG Brandenburg (DAR 2004, 658) schon im Falle einer Körperbehinderung, in deren Folge der Betroffene bei der Erfüllung seiner alltäglichen Lebensbedürfnisse auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, einen Ausnahmefall sieht.
Vergleichbares kann auch für einen Schwerbehinderten gelten (OLG Hamm NZV 1999, 215).
b) Krankheit
Rz. 59
Übliche Krankheiten sind kein Ausnahmegrund. Demjenigen, der gesundheitsbedingt ständig Arzttermine wahrnehmen muss, kann für einen kurzen Zeitraum, jedenfalls von einem Monat, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zugemutet werden (OLG Hamm DAR 1999, 325).
c) Pflegebedürftige oder kranke Angehörige
Rz. 60
Hier kann eine unverhältnismäßige Härte nur dann vorliegen, wenn feststeht, dass nicht andere Angehörige die notwendige Hilfe leisten können oder die Einstellung einer bezahlten Hilfskraft finanziell nicht zumutbar ist (AG Mannheim zfs 2004, 1236; OLG Hamm NZV 2006, 664; AG Borna NZV 2012, 99).
d) Günstige Täterprognose oder Geständnis
Rz. 61
Nach Auffassung des AG Bielefeld (zfs 1997, 234) soll das trotz zweifelhafter Beweislage "ehrliche und geständige Verhalten" des Betroffenen ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen, wohingegen die h.M. (OLG Karlsruhe VRS 88, 476; OLG Düsseldorf VRS 89, 228) einem Geständnis in diesem Zusammenhang keine Bedeutung beimisst.
Das AG Münster (DAR 1995, 375) und zunächst auch das BayObLG (zfs 1995, 315) sahen in einer günstigen Täterprognose keinen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigenden Grund. Hiervon ist das BayObLG in einer späteren Entscheidung (NZV 1996, 464) abgewichen.
e) Aufbauseminar oder psychologische Schulung
Rz. 62
Während die Oberlandesgerichte überwiegend (OLG Düsseldorf DAR 1997, 161; OLG Saarbrücken BeckRS 2013, 14981; OLG Bamberg DAR 2015, 656) in der Teilnahme an einem Aufbauseminar oder einer verkehrspsychologischen Schulung zumindest so lange keinen Grund für ein Absehen von einem Regelfahrverbot sehen, wie nicht noch weitere für den Betroffenen günstige Umstände hinzukommen, befürworten immer mehr Instanzgerichte so, wie sie in einer Nachschulung sogar einen Grund für ein Absehen von einer Fahrerlaubnisentziehung gem. § 69a StGB annehmen (LG Berlin BA 54/2017, 986; OLG Karlsruhe DAR 2017, 155; LG Görlitz NZV 2019, 268), u.U. auch einen Grund, um von einem Regelfahrverbot abzusehen (AG Miesbach DAR 2010, 215; AG Bernkastel-Kues zfs 2014, 172; AG Traunstein DAR 2014, 102; AG Mannheim zfs 2014, 173; AG Niebüll zfs 2014, 173). Zumindest kann sie die Reduzierung eines mehrmonatigen Fahrverbotes rechtfertigen (AG Kiel DAR 1999, 327).
f) Fahrerlaubnis auf Probe
Rz. 63
Darin, dass gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe noch (kostenauslösende) verwaltungsrechtliche Maßnahmen folgen, liegt für sich noch keine unverhältnismäßige Härte (OLG Bamberg DAR 2011, 93).
g) Angewiesensein auf öffentliche Verkehrsmittel
Rz. 64
In der Regel ist ein Fahrverbot für jedermann mit Unannehmlichkeiten verbunden. Deshalb kann die Tatsache, dass der Betroffene gerade auch zur Nachtzeit auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, eine Ausnahme nicht rechtfertigen (AG Lüdenscheid zfs 2012, 590).