Rz. 281

Gerät eine bislang isolierte Familiensache durch Anhängigkeit einer Scheidungssache kraft Gesetzes gem. § 137 Abs. 4 FamFG oder durch Verbindung nach § 20 FamFG in den Verbund, so gilt ab dann § 16 Nr. 4 RVG. Die Gebühren entstehen ab dann nur einmal aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, § 44 Abs. 2 S. 2 FamGKG). Für die Zeit bis zur Aufnahme in den Verbund bleibt die Angelegenheit dagegen gesondert abrechenbar. Die Berechnung der mehrfach – also vor und nach Aufnahme – ausgelösten Gebührentatbestände ist nach dem Grundsatz einer Verfahrensverbindung zu behandeln, wobei bereits einmal entstandene Gebühren nicht durch die nachträgliche verfahrensrechtliche Veränderung in Wegfall geraten können, andererseits aus dem bereits berücksichtigten Wert nicht noch einmal neu anfallen können.[151]

 

Beispiel 89: Aufnahme in den Verbund, Ehegattenunterhalt

Der Anwalt war zunächst in einem isolierten Verfahren auf nachehelichen Ehegattenunterhalt vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 3.660,00 EUR). Nach Umzug der Ehefrau mit den Kindern nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Unterhaltsverfahren wurde daraufhin an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Anschließend wurde erstmals verhandelt.

Im isolierten Unterhaltsverfahren ist vor dem AG Köln folgende Vergütung angefallen:

 
I. Isoliertes Verfahren über Kindesunterhalt    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   361,40 EUR
  (Wert: 3.660,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 381,40 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   72,47 EUR
Gesamt   435,87 EUR

Diese Vergütung kann nachträglich nicht entfallen, sondern bleibt dem Anwalt erhalten. Nur die weiteren Gebühren richten sich jetzt nach den Regelungen des Verbundverfahrens. Allerdings muss der Wert der Unterhaltssache jetzt im Verbundverfahren bei der Berechnung der Verfahrensgebühr außer Ansatz gelassen werden. Der Anwalt kann die Gebühren aus der Unterhaltssache nicht zweimal abrechnen. Lediglich bei der Terminsgebühr besteht kein Wahlrecht, weil diese Gebühr nicht auch isoliert angefallen ist, sondern nur im Verbund.

 
II. Verbundverfahren    
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   652,60 EUR
  (Wert: 7.200,00 EUR – ohne Kindesunterhalt)    
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   799,20 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR – mit Kindesunterhalt)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.471,80 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   279,64 EUR
Gesamt   1.751,44 EUR
Gesamt I. + II.   2.187,31 EUR

Stattdessen kann der Anwalt aber auch nur die Gebühren des Verbundverfahrens abrechnen. Dann darf er den Wert der Kindschaftssache im Verbund mitberücksichtigen. Im Falle einer solchen gemeinsamen Abrechnung würde der Anwalt erhalten:

 
Gemeinsame Abrechnung Verbundverfahren
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   865,80 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
2. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   799,20 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
3. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.685,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   320,15 EUR
Gesamt   2.005,15 EUR

Diese Berechnung wäre für den Anwalt also ungünstiger.

Nach anderer Auffassung[152] ist anzurechnen. Danach würde sich im isolierten Verfahren nichts ändern. Im Verbund wäre wie folgt zu rechnen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   865,80 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
2. anzurechnen, 1,3-Verfahrensgebühr aus 3.660,00 EUR   – 361,40 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr Nr. 3104 VV   799,20 EUR
  (Wert: 10.860,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.323,60 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   251,48 EUR
Gesamt   1.575,08 EUR

Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen. Abgesehen davon, dass es im RVG keine diesbezügliche Anrechnungsvorschrift gibt, kann die Anrechnungsmethode bei bestimmen Konstellationen zu abweichenden Berechnungen führen.

 

Rz. 282

Handelt es sich bei dem aufgenommenen Verfahren um eine Kindschaftssache, ist zudem zu beachten, dass sich der Wert der Kindschaftssache mit der Aufnahme in den Verbund ändert.

 

Beispiel 90: Aufnahme in den Verbund, Kindschaftssache

Der Anwalt war zunächst vom Mandanten in einem isolierten Umgangsrechtsverfahren vor dem AG Köln beauftragt worden (Wert: 4.000,00 EUR – § 45 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FamGKG). Nach Umzug der Kindesmutter nach München wurde dort die Scheidung eingereicht (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR – § 43 FamGKG; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR – § 50 Abs. 1 FamGKG). Das isolierte Umgangsrechtsverfahren wurde daraufhin gem. § 153 S. 1 FamFG an das AG München als Gericht der Ehesache (§ 122 FamFG) abgegeben und dort gem. § 137 Abs. 4 FamFG als Folgesache in das Verbundverfahren übernommen. Im isolierten Verfahren war bereits verhandelt worden. Im Verbundverfahren wird eine Einigung der Beteiligt...

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