Rz. 285
Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft wird der Insolvenzverwalter prüfen, ob das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft ordnungsgemäß aufgebracht wurde, d.h. ob die Einlagepflicht des Gesellschafters erfüllt ist, und/oder ob das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft unzulässiger Weise an den Gesellschafter zurückgezahlt wurde. Für den Gesellschafter haftungsträchtige Tatbestände können hier sein:
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Begründung von Verbindlichkeiten im Namen der Gesellschaft vor ihrer Eintragung ins Handelsregister (Verlustdeckungs- bzw. Vorbelastungshaftung), |
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Verwendung von Mantel- bzw. Vorratsgesellschaften ohne (erneute) Kapitalaufbringung im Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung und/oder fehlende Offenlegung der wirtschaftlichen Neugründung ggü. dem Handelsregister, |
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Hin- und Herzahlen ohne genaue Beachtung der Ausnahmevorschriften in § 19 Abs. 5 GmbHG, § 27 Abs. 4 AktG, |
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verdeckte Sacheinlage ohne genaue Beachtung der Anrechnungsvoraussetzungen der § 19 Abs. 4 GmbHG, § 27 Abs. 3 AktG, |
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Einlagenrückgewähr an den Gesellschafter ohne genaue Beachtung der Ausnahmevorschriften in § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 57 Abs. 1 Satz 2 AktG. |
Rz. 286
Die Erfordernisse der ordnungsgemäßen Kapitalaufbringung und -erhaltung sind bei den einzelnen Gesellschaftsformen dargestellt. Im Übrigen sei auf die ausführliche Darstellung der Gesellschafterhaftung für Fehler bei der Kapitalaufbringung und -erhaltung im Fall der Insolvenz der Gesellschaft bei Bauer, Die GmbH in der Krise, § 8 verwiesen.
Rz. 287
Eine wirksam beschlossene, aber noch nicht ins Handelsregister eingetragene Kapitalerhöhung kann der Insolvenzverwalter gegen den Willen der Gesellschafter nicht zur Insolvenzmasse einziehen, weil die Satzungsänderung erst mit ihrer Eintragung Wirkung entfalten kann (konstitutive Wirkung der Eintragung, § 54 Abs. 1 u. Abs. 3 GmbHG).
Rz. 288
Auf folgende Ausnahmen vom Grundsatz der realen Kapitalerhaltung nach § 30 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, § 57 Abs. 1 u. 3 AktG soll hier hingewiesen werden: Nach den genannten Vorschriften liegt keine verbotene Rückgewähr von Stamm- bzw. Grundkapital vor, wenn die Auszahlung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gedeckt ist. Das gilt auch bei der Gewährung von Sicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen für Verbindlichkeiten des Gesellschafters (sog. aufsteigende Sicherheiten).
Ebenso ist es als Bereichsausnahme keine verbotene Rückgewähr von Stamm- bzw. Grundkapital bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsanspruchs (§ 291 AktG). Hier muss allerdings der Verlustausgleichsanspruch nach § 302 AktG erfüllbar/vollwertig sein.
In der Lit. wird diskutiert, ob die Bereichsausnahmen auch bei Vorliegen einer harten internen Patronatserklärung greifen.