Rz. 65
Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt ebenfalls grundsätzlich mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung (§ 520 Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine unzulängliche Berufungsbegründung (siehe Rdn 118 ff.) kann nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden. Der Prozessbevollmächtigte des Berufungsführers darf dann, wenn er rechtzeitig einen Antrag auf Bewilligung von Akteneinsicht gestellt hat und alle Fristverlängerungsmöglichkeiten (siehe unten Rdn 66 ff.) ausgeschöpft sind, mit der Begründung der Berufung abwarten, bis ihm Akteneinsicht gewährt wurde, und anschließend – binnen Monatsfrist (§ 234 Abs. 1 S. 2 ZPO) – Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragen und die Berufungsbegründung nachholen; ein Antrag ist dann rechtzeitig gestellt, wenn der Prozessbevollmächtigte mit der Einsicht in die Akten so frühzeitig rechnen kann, dass er sie vor Fristablauf zum Zwecke der Berufungsbegründung noch verantwortlich auswerten kann. Solange die Berufungsbegründungsfrist läuft, kann der Beklagte – sowohl bei einer eigenen wie bei einer Berufung des Klägers – den geltend gemachten Anspruch noch anerkennen (§ 307 ZPO); wird das Anerkenntnis dagegen erst nach Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist erklärt, ohne dass das Rechtsmittel rechtzeitig begründet worden ist, darf ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen.
Rz. 66
Auf Antrag kann die Frist vom Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt (§ 520 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Einwilligung muss nicht schriftlich und gegenüber dem Berufungsgericht erklärt werden; sie kann vielmehr auch vom Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers eingeholt werden. In diesem Fall muss die Erteilung der Einwilligung aber im Fristverlängerungsantrag dargelegt werden. Der Einzelanwalt, der am Tag des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist unvorhergesehen erkrankt und deshalb nicht mehr in der Lage ist, die Berufungsbegründung rechtzeitig fertigzustellen, genügt seinen Sorgfaltspflichten regelmäßig dann, wenn er einen Vertreter beauftragt, der einen Fristverlängerungsantrag stellt; erteilt die Gegenseite in diesem Fall die zur Fristverlängerung erforderliche Einwilligung nicht und wird die Frist deshalb nicht verlängert, ist dem Berufungsführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
Rz. 67
Ohne Einwilligung kann die Frist nur um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt (§ 520 Abs. 3 S. 3 ZPO), die auf Verlangen glaubhaft zu machen sind (§ 224 Abs. 2 ZPO). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden; daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf. Wird ein Verlängerungsantrag ohne weitere Begründung "vorsorglich" gestellt, genügt dies aber nicht.
Rz. 68
Ein Anwalt kann bei einem ersten Verlängerungsantrag regelmäßig darauf vertrauen, dass die beantragte Fristverlängerung erfolgt, wenn eine Einwilligung oder genügende Begründung im Gesuch vorhanden ist; eine Nachfragepflicht besteht nicht. Eine dennoch erfolgte Ablehnung des Antrags rechtfertigt in der Regel eine Wiedereinsetzung. Verlängert der Vorsitzende die Begründungsfrist jedoch nur für eine kürzere Zeit als beantragt, so liegt darin in aller Regel zugleich die – stillschweigende – Ablehnung des weitergehenden Antrags und nicht ein Vorbehalt, insoweit erst noch entscheiden zu wollen.
Rz. 69
Hat in einem Berufungsverfahren, in dem mehrere Berufungskläger von verschiedenen Rechtsanwälten vertreten werden, nur einer von ihnen für die von ihm vertretenen Berufungskläger Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist gestellt, wird durch die antragsgemäß ergehende Verfügung auch nur die für diese Berufungskläger laufende Frist verlängert.
Rz. 70
Die auf Antrag des Streithelfers gewährte Verlängerung der Berufungsbegründungspflicht wirkt auch zugunsten der Hauptpartei und umgekehrt. Der einfache (unselbstständige) Streithelfer (§ 66 ZPO) kann jedoch ein Rechtsmittel nur innerhalb der Rechtsmittelfrist seiner Partei einlegen. Dies gilt unabhängig davon, ob und wann dem Streithelfer selbst das anzufechtende Urteil zugestellt worden ist. Bei streitgenössischer Nebenintervention (§ 69 ZPO) läuft die Rechtsmittelfrist dagegen selbstständig ab Zustellung an den Streithelfer. Das Rechtsmittel eines Streithelfers ist aber – bei einfacher wie streitgenössischer Nebenintervention – stets ein Rechtsmittel für d...