Rz. 46
Fehlt es an einer Zulassung der Berufung durch das Erstgericht (§ 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, siehe unten Rdn 53 ff.), ist eine Berufung grundsätzlich nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), das heißt, 600,01 EUR oder mehr beträgt. Mit dem Wert des Beschwerdegegenstands ist der Wert der Beschwer gemeint, die der Rechtsmittelführer mit dem Ziel ihrer Beseitigung (siehe oben Rdn 26 ff.) zur Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht stellt; der Wert eines erstmals in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrags erhöht den Wert des Beschwerdegegenstands daher nicht. Die Beschwer muss in diesem Umfang objektiv vorliegen und ist – unter Vortrag der für eine Schätzung erforderlichen Tatsachen – glaubhaft zu machen (§§ 511 Abs. 3, 294 ZPO); sie darf nicht nur subjektiv empfunden werden. Für die Glaubhaftmachung kann auch die informatorische Anhörung des – präsenten – Rechtsmittelführers ausreichen.
Rz. 47
Ohne Rücksicht auf den Wert des Beschwerdegegenstands – oder eine Zulassung (siehe unten Rdn 53 ff.) – ist die Berufung gegen zweite Versäumnisurteile (siehe hierzu oben Rdn 7) zulässig (§ 514 Abs. 2 S. 2 ZPO). Vom Erfordernis einer Beschwer (siehe oben Rdn 12 ff.) und ihrer Geltendmachung (siehe oben Rdn 26 ff.) ist der Rechtsmittelkläger jedoch nicht befreit.
Rz. 48
Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstands über dem für die Wertberufung erforderlichen Betrag von 600 EUR liegt, ist das Berufungsgericht an die Festsetzung des (Zuständigkeits- oder Gebühren-)Streitwerts durch das erstinstanzliche Gericht nicht gebunden. Es stellt den Wert des Beschwerdegegenstands vielmehr im Rahmen der ihm von Amts wegen obliegenden Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (§ 522 Abs. 1 S. 1 ZPO) nach eigenem freiem Ermessen fest. Diese Bewertung kann vom Revisionsgericht nur beschränkt daraufhin überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
Rz. 49
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Werts des Beschwerdegegenstands ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO). Ein späteres Absinken ist grundsätzlich – von Fällen des Rechtsmissbrauchs abgesehen – unbeachtlich. Der für die Wertverhältnisse maßgebliche Zeitpunkt – Einlegung des Rechtsmittels (auch wenn sich bei unverändertem Streitgegenstand der Wert des Beschwerdegegenstands gegenüber dem erstinstanzlich maßgeblichen Zuständigkeitsstreitwert verändert hat) – hindert nicht den Vortrag neuer Tatsachen zur Wertbestimmung in der Berufungsinstanz. Bedeutung hat dies insbesondere für Feststellungsanträge, mit denen – bereits in erster Instanz – der gesamte dem Kläger entstandene Schaden geltend gemacht wurde. Trägt der Kläger hier nach Abschluss der ersten Instanz im Berufungsverfahren vor, dass Schäden in weiterem Umfang entstanden seien, als sie in erster Instanz vorgetragen wurden, darf dieses Vorbringen bei der Bemessung des Werts der Beschwer nicht deshalb unbeachtet bleiben, weil ein entsprechender Vortrag in erster Instanz oder bis zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung fehlte. Der Wert der Beschwer ist vielmehr nach dem Umfang des gesamten Schadens zu bemessen, wie er sich dem Berufungsgericht aufgrund des Klägervortrags darstellt. Hat das Erstgericht die auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall gerichtete Klage hinsichtlich eines Feststellungsantrags abgewiesen, kann der Wert des Beschwerdegegenstands folglich auch durch ausreichend konkret dargelegte Schadenspositionen bestimmt sein, die erstinstanzlich nicht in Ansatz gebracht wurden oder im Raum standen, sofern im Fall einer Verurteilung die Haftung der Beklagten auch für diese Positionen festgestellt werden würde. Der Anspruch auf Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten erhöht als Nebenforderung den Streitwert und die Beschwer nicht, solange er neben dem Hauptanspruch geltend gemacht wird, für dessen Verfolgung Rechtsanwaltskosten angefallen sind (§ 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO); sobald und soweit die Hauptforderung jedoch nicht mehr Prozessgegenstand ist, wird die Nebenforderung zur Hauptforderung, weil sie sich von der sie bedingenden Forderung gelöst hat und es ohne Hauptforderung keine Nebenforderung gibt (siehe oben Rdn 38). Bei einer unzulässigen Trennung (§ 145 ZPO) kommt eine Berechnung der Rechtsmittelbeschwer aus dem einheitlichen Wert des Verfahrens vor der Trennung nur in Betracht, wenn sämtliche durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind.
Rz. 50
Übersteigt die Beschwer (siehe oben Rdn 12 ff.) der unterlegenen Partei die Berufungssumme, so kann grundsätzlich erst auf der Grundlage des in der mündlichen Berufungsverhandlung gestellten Antrags entschieden werden, ob der Wert des Beschwerdegegenstands die Berufungssumme erreicht; eine vorherige Verwe...