Rz. 20
Bei unterlegenen Beklagten ist – da der Antrag auf Klageabweisung kein Sachantrag ist – die sog. materielle Beschwer entscheidend, für die jeder nachteilige rechtkraftfähige Inhalt der angefochtenen Entscheidung ohne Rücksicht auf die Vollstreckungsfähigkeit oder die in der unteren Instanz gestellten Anträge ausreicht.
Rz. 21
Eine Beschwer des Beklagten liegt somit selbst dann vor, wenn er in erster Instanz anerkannt hatte. Die beklagte Partei ist auch beschwert, wenn sie die endgültige Klageabweisung erstrebt, die Klage jedoch mangels Fälligkeit der Forderung nur als zur Zeit unbegründet abgewiesen wird oder wenn die Abweisung einer Klage als unzulässig statt als unbegründet erfolgt. Eine materielle Beschwer des Beklagten, der mit seiner Berufung eine Verurteilung gemäß seinem Anerkenntnis begehrt, um Ansprüche gegen Dritte durchsetzen zu können, folgt aber nicht daraus, dass die Klage durch ein Prozessurteil als unzulässig abgewiesen wurde. Der Beklagte ist auch dadurch beschwert, dass bei Zuerkennung eines Feststellungsbegehrens auf Dritte übergegangene Ansprüche hiervon nicht ausgenommen werden.
Rz. 22
Auch die Abweisung erst aufgrund einer (Hilfs-)Aufrechnung beschwert den Beklagten (§ 322 Abs. 2 ZPO). Wird der Klage trotz einer Hilfsaufrechnung des Beklagten stattgegeben, so ist der Beklagte nicht nur in Höhe der zuerkannten Klageforderung, sondern zusätzlich in Höhe der aberkannten Gegenforderung beschwert. Wenn der Beklagte die Klageforderung dagegen nicht bestreitet und nur die Primäraufrechnung mit einer Gegenforderung geltend macht, so ist er durch ein der Klage stattgebendes Urteil lediglich in Höhe des Betrags beschwert, zu dessen Zahlung er verurteilt worden ist. Auch die Zurückweisung einer Aufrechnung als unzulässig beschwert den Beklagten nicht zusätzlich (arg. § 322 Abs. 2 ZPO). Werden die hilfsweise geltend gemachten Gegenforderungen nur als Rechnungsposten im Rahmen einer Abrechnung gewürdigt und alsdann verneint, ist der Beklagte hierdurch mangels rechtskräftiger Entscheidung über die Gegenforderungen (§ 322 Abs. 2 ZPO) ebenfalls nicht über die zuerkannte Klageforderung hinaus beschwert.
Rz. 23
Die materielle Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei entfällt, wenn sie nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung und vor Einlegung eines Rechtsmittels den Urteilsbetrag vorbehaltlos zahlt. Dem steht gleich, wenn ein berechtigter Dritter – beispielsweise der Haftpflichtversicherer – mit Billigung oder in Vollmacht der verurteilten Partei den Urteilsbetrag zahlt und damit das Schuldverhältnis der Parteien zum Erlöschen bringt; die Zahlung eines Gesamtschuldners lässt nicht ohne Weiteres die Beschwer eines anderen Gesamtschuldners entfallen. Will der Schuldner jedoch den Klageanspruch nicht endgültig erfüllen, sondern zahlt er nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil, so bleibt seine Beschwer bestehen. Ob das eine oder das andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls. Regelmäßig wird ohne besondere Anhaltspunkte keine vorbehaltlose Zahlung anzunehmen sein.