Rz. 121
Die Berufungsbegründung muss – sofern (auch) die rechtliche Beurteilung durch die erste Instanz angegriffen wird – die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO). Dazu gehört eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Besondere formale Anforderungen bestehen nicht. Für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind. Jedoch muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen; vielmehr ist eine aus sich heraus verständliche Angabe erforderlich, welche und weshalb der Berufungskläger bestimmte Punkte des angefochtenen Urteils bekämpft.
Rz. 122
Eine Bezugnahme auf den Sachvortrag oder die Rechtsausführungen erster Instanz ist (nur) ausnahmsweise hinsichtlich solchen Vorbringens zulässig, das in erster Instanz aus Rechtsgründen nicht oder als rechtlich unerheblich oder unsubstantiiert behandelt oder gänzlich übergangen wurde. Kein unzulässiger Verweis auf erstinstanzliches Vorbringen liegt allerdings vor, wenn eine Rechtsansicht des Erstgerichts zwar inhaltlich unter – bloßer – Wiederholung der abweichenden, bereits in erster Instanz vorgebrachten rechtlichen Auffassung des Berufungsführers, aber konkret angegriffen wird. Ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit einer gerügten Rechtsverletzung unmittelbar aus dem angefochtenen Urteil in Verbindung mit den Ausführungen in der Berufungsbegründung, bedarf sie keiner gesonderten Darlegung in der Berufungsbegründung.
Rz. 123
Wenn die Berufung die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) – insbesondere infolge eines unterbliebenen gerichtlichen Hinweises (§ 139 ZPO) – rügt, muss die Begründung zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darlegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte; dieser Darlegung bedarf es nur dann nicht, wenn die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich ist. Diese Grundsätze gelten auch für die Rüge des Verstoßes gegen das Gebot zur Verhandlung über das Ergebnis der Beweisaufnahme (§ 285 ZPO): Eine hierauf gestützte Berufungsbegründung muss regelmäßig darlegen, was die berufungsführende Partei im Rahmen einer Verhandlung zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorgetragen hätte und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts geführt hätte. Wurde die Klage insgesamt wegen Verjährung abgewiesen, reicht ein Angriff hiergegen aus; es ist dann nicht geboten, ausdrücklich noch einmal das gesamte erstinstanzliche Vorbringen zu den Voraussetzungen des verfolgten Anspruchs zu wiederholen, um die Entscheidungserheblichkeit des Berufungsangriffs darzutun.
Rz. 124
Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen – beispielsweise fehlende Kausalität und Verjährung – gestützt, muss die Berufungsbegründung in der vorstehend aufgezeigten Weise jede tragende Erwägung angreifen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig. Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist. Dabei dürfen allerdings die Anforderungen an die Berufungsbegründung – beispielsweise soweit es um einen Angriff gegen ein neben dem Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen von der ersten Instanz herangezogenes überwiegendes Mitverschulden des Geschädigten geht – nicht überspannt werden. Geht aus dem angefochtenen Urteil selbst schon nicht hinreichend deutlich hervor, dass das Erstgericht seine Klageabweisung auch auf eine weitere selbstständig tragende rechtliche Erwägung gestützt hat, so muss die Berufungsbegründung diese auch nicht gesondert angreifen.
Rz. 125
Bei einem teilbaren Streitgegenstand oder bei mehreren Streitgegenständen muss sich die Berufungsbegründung im Falle einer uneingeschränkten Anfechtung grundsätzlich auf alle Teile des Urteils erstrecken, hinsichtlich derer eine Änderung beantragt wird. Zwar muss sich der Rechtsmittelführer nicht mit allen für ihn nachteilig be...