Rz. 53
Keine Bedeutung kommt dem Wert des Beschwerdegegenstands – wohl aber der Beschwer (siehe oben Rdn 12 ff.) – zu, soweit ein Rechtsmittel vom Gericht der unteren Instanz zugelassen wurde. Sofern die Berufungssumme von 600,01 EUR (siehe oben Rdn 37 ff.) nicht erreicht wird (§ 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 ZPO), muss das Gericht des ersten Rechtszugs über die Zulassung der Berufung entscheiden. Es lässt die Berufung zu, wenn entweder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern (§ 511 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 ZPO). Eine beschränkte Zulassung der Berufung auf rechtlich oder tatsächlich selbstständige Teile des Streitstoffs, über die im Wege eines Teil- (§ 301 ZPO), Grund- (§ 304 ZPO) oder selbstständig anfechtbaren Zwischenurteils (§ 280 ZPO) oder durch Beschluss nach § 17a Abs. 3 GVG entschieden werden oder auf die der Berufungskläger selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte, ist zulässig; insoweit gilt grundsätzlich nichts anderes als bei Rechtsbeschwerde und Revision. Die Beschränkung kann sich auch durch eine Auslegung der Urteilsgründe ergeben. Eine Beschränkung auf eine von mehreren reinen Rechtsfragen im Rahmen eines einheitlichen Klagebegehrens ist nicht zulässig; bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Rechtsmittel zugelassen wurde, auf einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Entscheidung aber grundsätzlich so auszulegen, dass es lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen ist. Eine Beschränkung auf den Anspruchsgrund als selbstständig anfechtbaren Teil des Streitgegenstands ist dagegen grundsätzlich möglich; im Betragsverfahren, nach Ergehen eines Grundurteils (siehe dazu § 27 Rdn 53) ist eine solche Beschränkung dagegen nicht (mehr) zulässig. Eine Beschränkung der Zulassung ist auch auf eine von mehreren Prozessparteien statthaft, zu deren Nachteil die für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage entschieden wurde; die Zulassung wirkt in diesem Fall nicht zugunsten der Partei, zu deren Gunsten die Rechtsfrage entschieden ist und die das Urteil aus einem völlig anderen Grund angreift.
Rz. 54
Hat keine Partei die Zulassung angeregt, ist eine ausdrückliche Entscheidung hierüber entbehrlich. Das Schweigen im erstinstanzlichen Urteil bedeutet – unabhängig davon, ob eine Anregung der Parteien vorlag oder nicht – regelmäßig eine Nichtzulassung: Befasst sich das Urteil nämlich nicht ausdrücklich mit der Zulassung, spricht es damit aus, dass das Rechtsmittel nicht zugelassen wird, und zwar auch dann, wenn das Ausgangsgericht die Möglichkeit der Zulassung gar nicht bedacht hat. Die Zulassung der Berufung muss allerdings nicht zwingend im Tenor ausgesprochen werden, sondern es genügt, wenn sie lediglich in den Gründen des Urteils enthalten ist. Maßgeblich hierfür ist die Urschrift der Entscheidung, nicht eine hiervon abweichende zugestellte Ausfertigung. Die nachträgliche Zulassung des Rechtsmittels aufgrund einer Anhörungsrüge ist unwirksam, wenn kein auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag der Parteien verfahrensfehlerhaft übergangen worden ist; fehlt es an einer entscheidungserheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs, ist das Ausgangsgericht vielmehr an die von ihm getroffene Entscheidung gebunden (§ 318 ZPO). Deshalb kann auch eine versehentlich unterlassene Zulassung nicht durch ein Ergänzungsurteil (§ 321 ZPO) nachgeholt werden. Die Zulassung in einem Berichtigungsbeschluss (§ 319 ZPO) ist nur zulässig, wenn sich aus dem Urteil selbst eine diesbezügliche – auch für Dritte erkennbare – offenbare Unrichtigkeit ergibt.
Rz. 55
Hat das erstinstanzliche Gericht allerdings deshalb keine Veranlassung gesehen, die Berufung zuzulassen, weil es von einem die Berufungssumme übersteigenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, hält aber das Berufungsgericht diesen Wert nicht für erreicht, so muss das Berufungsgericht, das insoweit nicht an die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts gebunden ist (siehe oben Rdn 48), die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung erfüllt sind. Lässt das Berufungsgericht die Revision zu, so kann darin eine stillschweigende Zulassung der Berufung liegen. Auch die durch das Berufungsgericht nachgeholte Zulassung ist unanfechtbar; das Rechtsbeschwerdegericht kann daher nicht überprüfen, ob das Berufungsgericht die Zulassungsvoraussetzungen zutreffend beurteilt hat und die Zulassung der Berufung geboten gewesen wäre. Hat dagegen das Berufungsgericht die gebotene Entscheidung über die Zulassung nicht nachgeholt, kann das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Erheblichkeit dieses Verfahrensfehlers prüfen, ob eine Zulassung der Berufung geboten gewesen wäre, und gegebenenfalls auch die Zulassung nachholen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist...