Rz. 10
Zu erkennen ist häufig, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte schnell eine vorsätzliche Tat bejahen, wenn bei dem Mandanten eine besonders hohe BAK festgestellt worden ist. Das ist falsch, wie der BGH erst kürzlich wieder bestätigt hat.
Rz. 11
Es gibt keinen naturwissenschaftlich oder medizinisch gesicherten Erfahrungssatz, dass derjenige, der eine Alkoholmenge trinkt, die zu einer die Grenze der absoluten Fahruntüchtigkeit übersteigenden Blutalkoholkonzentration führt, seine Fahruntüchtigkeit auch erkennt. Gleichwohl ist auch anerkannt, dass die Höhe der BAK bei der Abgrenzung Fahrlässigkeit und Vorsatz in der Form des dolus eventualis ein gewichtiges Beweisanzeichen sein kann, allerdings nur ein widerlegbares. Der Tatrichter ist durch § 261 StPO nicht gehindert anzunehmen, dass eine Blutalkoholkonzentration umso eher für eine vorsätzliche Tat spricht, je höher sie ist. Er muss sich jedoch bewusst sein, dass er sich lediglich auf ein (widerlegbares) Indiz stützt, das zwar gewichtig ist, aber im Einzelfall der ergänzenden Berücksichtigung anderer Beweisumstände bedürfen kann. Will er die Annahme bedingten Vorsatzes damit begründen, dass ein Täter mit einer hohen Blutalkoholkonzentration im Allgemeinen weiß, dass er große Mengen Alkohol getrunken hat, so dass sich ihm die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit aufdrängt, muss er erkennen lassen, dass er lediglich einen Erfahrungssatz mit einer im konkreten Fall widerlegbaren Wahrscheinlichkeitsaussage zur Anwendung bringt, nicht aber einen wissenschaftlichen Erfahrungssatz. Die Annahme einer Vorsatztat bedarf einer Prüfung der Einzelumstände – Täterpersönlichkeit, Trinkgewohnheiten, Täterverhalten während und nach der Trunkenheitsfahrt.
Der Verteidiger sollte hierauf hinweisen. Vielfach ist zu erkennen, dass die Staatsanwaltschaften auf diese Argumentation eingehen und von Fahrlässigkeit ausgehen.
Rz. 12
Muster 28.4: Fahrlässigkeit trotz hoher BAK
Muster 28.4: Fahrlässigkeit trotz hoher BAK
Rein vorsorglich weise ich hinsichtlich der Schuldform darauf hin, dass auch in der Rechtsmedizin bekannt ist, dass mit steigendem Promillewert die Kritik und Erkenntnisfähigkeit abnimmt, der Vorsatz bei hohen Promillewerten also eher zu verneinen ist (BGH, NZV 1991, 117).
Demzufolge besteht auch Einigkeit darüber, dass aus der Höhe des Alkoholwertes allein nicht auf die vorsätzliche Begehung geschlossen werden kann, da es nämlich keinen Erfahrungssatz gibt, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst war oder dies billigend in Kauf genommen hat (BGH zfs 2015, 351; vgl. zudem auch OLG München zfs 2005, 467; OLG Stuttgart NZV 2011, 412).
Es gibt auch keinen Erfahrungssatz, dass man ab einer bestimmten Alkoholkonzentration seine Fahrunsicherheit erkennt und deshalb eine Trunkenheitsfahrt vorsätzlich begeht (OLG Hamm zfs 1998, 482).
Dies wurde in einer Entscheidung des BGH jüngst bestätigt (BGH zfs a.a.O.). Die BAK stellt allenfalls ein widerlegbares Indiz für die Schuldform dar.