Rz. 294
Hat sich die bisherige Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht verändert, so ist eine – isolierte – Reduzierung der vereinbarten Vergütung durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung nach der Rspr. des BAG nur unter besonderen (engen) Voraussetzungen zulässig. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-Gehaltsgefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Gehaltssenkung darstellt, ist nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft. Vom Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang zu verlangen, dass er die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkungen der erstrebten Kostensenkung für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darstellt und ferner darlegt, warum andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Der Arbeitgeber muss substantiiert darlegen, dass eine Kosteneinsparung auf anderem Wege nicht mehr möglich ist. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Arbeitgeber durch das Änderungsangebot nicht nur die Vergütung, sondern auch die Tätigkeit ändert. Eine Rechtfertigung der vorgeschlagenen Vergütung ist nur dann entbehrlich, wenn sich die geänderte Vergütung für die neue Tätigkeit aus einem im Betrieb angewandten Vergütungssystem ergibt.
Rz. 295
Die Unrentabilität des Betriebes kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen des Arbeitsvertrages entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen sein. So kommt etwa bei einem durch die hohe Vergütung wirtschaftlich für den Betrieb nicht mehr tragbaren Arbeitnehmer nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit keine Beendigungs-, sondern nur eine Änderungskündigung in Betracht. Das bedeutet allerdings nicht, dass die dringenden betrieblichen Erfordernisse schon im Zeitpunkt der Kündigung einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb dergestalt entgegenstehen müssen, dass der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Änderungskündigung warten muss, bis sein Ruin unmittelbar bevorsteht. Prüfungsmaßstab ist, ob die schlechte Geschäftslage einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu unveränderten Bedingungen entgegensteht.
Rz. 296
Bei unterschiedlichen Vergütungsansprüchen der Arbeitnehmer rechtfertigt die Gleichbehandlung keine Änderungskündigung. Dem Arbeitgeber, der mit einzelnen Arbeitnehmern einzelvertraglich eine höhere Vergütung vereinbart hat als sie dem betrieblichen Niveau entspricht, ist es verwehrt, die Vergütung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz dem (niedrigeren) Entgelt der übrigen Arbeitnehmer anzupassen. Dies folgt schon aus dem Rechtsatz, dass beim Abschluss eines Arbeitsvertrages der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang zu dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient allein zur Begründung von Rechten, nicht aber zu deren Einschränkung. Eine Änderungskündigung ist auch nicht allein deshalb sozial gerechtfertigt, weil eine neue gesetzliche Regelung die Möglichkeit vorsieht, durch Parteivereinbarung einen geringeren Lohn festzulegen, als er dem Arbeitnehmer bisher gesetzlich oder vertraglich zustand und der Arbeitnehmer eine solche, ihm angebotene Änderung ablehnt. Ist die Ungleichbehandlung Folge einer Betriebsübernahme, ist der Arbeitgeber nach Ablauf des Bindungszeitraums von einem Jahr dazu berechtigt, die Lohnstruktur im Sinne der Gleichbehandlung umzustellen.
Rz. 297
Ändert sich die Vergütung bei Änderung tatsächlicher Umstände, z.B. der Anzahl der unterstellten Arbeitnehmer, infolge Tarifautomatik, bedarf es keiner Änderungskündigung.
Rz. 298
Die irrtümliche Eingruppierung eines Arbeitnehmers in eine zu hohe Vergütungsgruppe kann die betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel der Rückgruppierung in die tariflich richtige Vergütungsgruppe rechtfertigen. Für eine sog. korrigierende Rückgruppierung (im öffentlichen Dienst) soll nach der Rspr. des BAG keine Änderungskündigung erforderlich sein. Es bedarf ebenfalls keiner Änderungskündigung bei rechtsgrundlos gezahlter tariflicher Vergütung. Sie lässt sich ohne weiteres berichtigen, sofern nicht zugleich ein einzelvertraglicher Vergütungsanspruch besteht. Ob ein einzelvertraglicher Anspruch besteht, ist durch Auslegung des Arbeitsvertrages zu ermitteln. Eine nur formularmäßige Verweisung auf eine bestimmte Vergütungsgruppe wird regelmäßig nur als deklaratorische Erklärung, nicht als konstitutive einzelvertragliche Zusage anzusehen sein.