Rz. 66
Dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, können sich nach der Rspr. des BAG aus außerbetrieblichen wie auch aus innerbetrieblichen Umständen ergeben. Diese Unterscheidung wird vorgenommen, um die Kündigungsgründe systematisch zu erfassen und ist für die Darlegungs- und Beweislast bedeutsam.
Rz. 67
Zu den innerbetrieblichen Gründen zählen Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellungen oder Einschränkungen der Produktion, Zusammenlegung von Arbeitsbereichen, Produktionsverlagerung ins Ausland oder auf Fremdunternehmen, Stilllegung eines Betriebes oder Betriebsteils und die Entscheidung, den Personalbestand auf Dauer zu reduzieren. Innerbetriebliche Gründe können nicht darauf überprüft werden, ob sie durch äußere Anlässe erforderlich geworden und darüber hinaus geeignet sind, den mit ihr verfolgten Zweck zu erreichen. Es ist nur zu prüfen, ob eine derartige unternehmerische Entscheidung tatsächlich vorliegt und durch ihre Umsetzung das Beschäftigungsbedürfnis im behaupteten Umfang entfallen ist. Der nicht auf Schlagworte beschränkte Vortrag des Arbeitgebers muss erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt. Trägt der Arbeitgeber vor, dass Beschäftigungsmöglichkeiten durch einen innerbetrieblichen Grund entfallen sind, muss er das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung darlegen und vortragen, welche Beschäftigungsmöglichkeiten in welchem Umfang durch diese Entscheidung entfallen sind.
Rz. 68
Zu den außerbetrieblichen Gründen zählen Absatzschwierigkeiten, Auftragsmangel, Auftragsverlust, Umsatzrückgang, Streichung von Haushaltsmitteln und Wegfall von Drittmitteln. Bei außerbetrieblichen Gründen muss der Arbeitgeber sowohl die Entwicklung der Umsatzzahlen oder der Auftragsbestände als auch deren unmittelbare Auswirkung auf den Arbeitsplatz des gekündigten Arbeitnehmers im Einzelnen darlegen. Außerbetriebliche Ursachen müssen innerbetrieblich umgesetzt werden, etwa durch Betriebs- oder Produktionseinschränkung, Rationalisierungs- oder Umstrukturierungsmaßnahmen oder Stilllegung von Betriebsabteilungen.
Rz. 69
Die außerbetrieblichen Umstände müssen unmittelbar zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber geltend macht, infolge der technischen Entwicklung – zum Beispiel durch IT-Technik – seien Arbeitsmöglichkeiten entfallen. Die durch außerbetriebliche Gründe verursachte und darauf gestützte Unternehmerentscheidung führt zu einer Selbstbindung des Arbeitgebers. Er darf das Personal nur insoweit abbauen, wie dies die zur Rechtfertigung der Kündigung benannte außerbetriebliche Ursache erfordert. Behauptet der Arbeitgeber, dass Beschäftigungsmöglichkeiten durch einen außerbetrieblichen Grund entfallen sind, muss er darlegen, durch welche von außen kommenden Umstände in welchem Umfang und in welchen Bereichen dies der Fall ist. Soweit der Arbeitgeber sich auf außerbetriebliche Gründe als Ursache seiner Kündigung beruft, unterwirft er die Kündigung in vollem Umfang der arbeitsgerichtlichen Überprüfung, die andererseits verkürzt wird, wenn er sich allein auf die getroffene Unternehmerentscheidung beruft. Außerbetriebliche Gründe, die nur zum Anlass für eine auf innerbetrieblichen Gründen beruhende organisatorische Maßnahme genommen werden, führen nicht zu dem erweiterten Prüfungsmaßstab.
Rz. 70
Praxishinweis
Der Arbeitgeberanwalt wird sich inhaltlich immer auf innerbetriebliche Gründe berufen. Das bedeutet, dass er die unternehmerische Entscheidung (vgl. oben Rdn 58 ff.) damit begründet, dass der Geschäftsführer, der Vorstand oder die Gesellschafter eine bestimmte Maßnahme beschlossen haben (vgl. Formulierungsbeispiel Rdn 62 ff.). In diesem Beschluss sollte keinerlei Bezug zu außerbetrieblichen Ursachen, wie z.B. zu einem bestimmten Auftragsverlust hergestellt werden. Leicht nachvollziehbare außerbetriebliche Umstände, die Anlass einer unternehmerischen Entscheidung gewesen sind, können und sollten in der Erwiderung auf die Kündigungsschutzklage zur Verdeutlichung der Unternehmerentscheidung kurz vorgetragen werden. Es sollte ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass sie nur Anlass der auf innerbetrieblichen Gründen beruhenden Organisationsentscheidung waren. Die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ist im Fall innerbetrieblicher Gründe irrelevant.
Rz. 71
Formulierungsbeispiel
Im Rahmen des "Führungskräftetreffens" ist von den dort anwesenden Führungskräften nach ausführlicher Diskussion der wirtschaftlichen Situation des Betriebs sowie der Marktlage die Entscheidung getroffen worden, mit Wirkung ab (…) nur noch mit (…) Projektleitern – jeweils einem im Bereich (…), (…) und (…) – die vorhandenen Projekte der Beklagten zu betreuen. Mit Wirkung zum (…) sollen alle darüber hinausgehenden (…) Projektleitungstätigkeiten entfallen und dementsprechend die anderen Stellen der Projektleiter, sofern nicht bereits gescheh...