Rz. 77
Das BAG geht in st. Rspr. von dem Grundsatz der freien Unternehmerentscheidung aus. Die unternehmerische Entscheidung ist nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Insb. ist nicht zu prüfen, ob die durch die Kündigung zu erwartenden Vorteile des Arbeitgebers in einem vernünftigen Verhältnis zu den Nachteilen stehen, die sich für den betreffenden Arbeitnehmer ergeben oder ob die Entscheidung aus wirtschaftlicher Hinsicht besonders "dringend" war. Auch umgesetzte Fehldispositionen des Arbeitgebers sind hinzunehmen. Mangels Einbindung in eine unternehmerische Konzeption liegt nach der Rspr. des BAG in dem Ausspruch der Kündigung als solcher keine der arbeitsgerichtlichen Kontrolle entzogene kündigungsbegründete Unternehmerentscheidung.
Rz. 78
Im Rahmen der Missbrauchskontrolle ist auch zu prüfen, ob ein Umgehungsfall vorliegt. Der Arbeitgeber handelt nach der Rspr. des BAG missbräuchlich, wenn er durch Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen seinen Betrieb in mehrere Teile aufspaltet, um Arbeitnehmern den allgemeinen Kündigungsschutz zu entziehen und ihnen "frei" kündigen zu können. Die Gründung einer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Arbeitgebers eingegliederten Organgesellschaft und die Übertragung der Arbeiten einzelner Abteilungen auf diese Gesellschaft ist rechtsmissbräuchlich und damit kündigungsrechtlich unbeachtlich, wenn die Wahl dieser Organisationsform in erster Linie dem Zweck dient, den Arbeitnehmern der betroffenen Bereiche ihren Kündigungsschutz zu nehmen und sich von ihnen "frei" zu trennen, damit die Arbeit in Zukunft von anderen, schlechter bezahlten Arbeitnehmern verrichtet wird. Als rechtsmissbräuchlich ist auch angesehen worden, "einen Arbeitnehmer durch die Bildung separater betrieblicher Organisationsstrukturen bei unverändertem Beschäftigungsbedarf aus dem Betrieb zu drängen, indem die tatsächlichen Betriebsabläufe und die hierarchischen Weisungswege als solche unangetastet gelassen und nur, gewissermaßen pro forma, in allein zu diesem Zweck erdachte rechtliche Gefüge eingepasst werden". Auch die bloße Berufung auf den Abbau einer kompletten Hierarchieebene reicht zur Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung nicht aus. Der Arbeitgeber muss vielmehr darlegen, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne übergeordnete Organisationseinheit zu bewältigen seien. Ein Rechtsmissbrauch liegt auch vor, wenn sich die Umgestaltung von Arbeitsabläufen als rechtswidrige Maßregelung im Sinne des § 612a BGB erweist.
Rz. 79
Unzulässig ist eine sog. Austauschkündigung. Ein verringerter Personalbedarf besteht tatsächlich nicht, wenn der Unternehmer lediglich das Ziel verfolgt, den unveränderten Personalbedarf auf anderem Wege – z.B. durch Leiharbeitnehmer oder durch Fremdvergabe an (selbstständige) Dritte unter gleichzeitiger Einbindung in die eigene Betriebsstruktur – zu befriedigen.
Rz. 80
Anerkannt ist eine innerbetriebliche Umstrukturierungsmaßnahme (Einführung eines neuen Vertriebssystems), zu der auch die Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis) gehört. Zu prüfen ist neben der Missbrauchskontrolle, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich durchgeführt worden ist. Keine Austauschkündigung liegt vor, wenn die bislang von Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten nunmehr von – nicht nur auf dem Papier – freien Mitarbeitern oder selbstständigen Unternehmen oder von ehrenamtlichen Hilfskräften ausgeführt werden sollen.
Die Streichung einer Hierarchieebene kann eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, bedarf jedoch sorgfältiger Begründung durch den Arbeitgeber. Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene oder die Streichung eines einzelnen Arbeitsplatzes verbunden mit einer Umverteilung der Aufgaben hinaus, muss der Arbeitgeber konkret erläutern, inwieweit die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen entfallen und ohne überobligationsmäßige Leistungen vom verbliebenen Personal erledigt werden können.
Rz. 81
Die Organisationsentscheidung des öffentlichen Arbeitgebers, eine Angestelltenstelle, auf der hoheitliche Aufgaben erledigt werden, in eine Beamtenstelle umzuwandeln und mit einem Beamten zu besetzen, kann ein dringendes betriebliches Erfordernis zur Kündigung des bisherigen Stelleninhabers darstellen, wenn dieser die Voraussetzungen für eine Übernahme in ein Beamtenverhältnis nicht erfüllt. Im Fall einer Stellenplanreduzierung im öffentlichen Dienst ist ein auf den Stellenbedarf der jeweiligen Dienststelle zugeschnittenes Konzept der zuständigen Verwaltung notwendig.
Rz. 82
Zusätzlich zur Missbrauchskontrolle unterliegt die Unterne...