Rz. 38
Hinsichtlich des Schadens wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass, soweit möglich, Naturalrestitution geschuldet ist oder alternativ der Vertrauensschaden zu ersetzen ist – der Mandant ist so zu stellen, als hätte bei Abschluss des Anwaltsvertrages kein Fehlverhalten des Anwalts vorgelegen; er ist von einem Schaden freizustellen. Dies ist die sogenannte Differenzhypothese, wobei ein Gesamtvermögensvergleich anzustellen ist. Es kommt hierbei darauf an, wie der Mandant wirtschaftlich gestanden hätte, wenn der Anwalt korrekt gehandelt hätte. Ein Schaden tritt nicht ein bei Verjährenlassen einer Forderung gegen einen zahlungsunfähigen Schuldner. Der eigene Arbeitsaufwand des Mandanten ist grundsätzlich kein Schaden, da der Verlust an disponibler Freizeit auch nach der Reform des Schadensersatzrechts nicht als immaterieller Schaden ersetzt wird. In erster Linie wird der Schaden Anwalts- und Gerichtsgebühren umfassen.
Rz. 39
Ein Schaden wurde bejaht, wenn infolge eines Anwaltsfehlers ein für den Mandanten günstiger Vergleich nicht zustande kommt oder ein unter Widerrufsvorbehalt geschlossener Vergleich widerrufen wird – der abgeschlossene Vergleich wird als Vermögensposition gewertet und der Schaden mittels der Differenzhypothese quantifiziert. Hat der Geschädigte einen Ersatzanspruch gegen einen Dritten, so ist dies schadensrechtlich ohne Bedeutung; der Rechtsanwalt darf nicht auf diesen Ersatzanspruch verweisen, denn der Schaden als solcher ist nicht im Rechtssinne entfallen. Der Schaden kann aber durch den Grundsatz der Vorteilsausgleichung kompensiert werden.
Rz. 40
Bei der Schadensberechnung steht im Mittelpunkt die Frage nach dem Ausgang eines gerichtlichen oder behördlichen Verfahrens, welches entweder nicht durchgeführt oder falsch entschieden wurde. Insoweit hat nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der die schon vor dem Reichsgericht begründete Linie fortgesetzt hat, das Regressgericht selbstständig zu entscheiden, welches Urteil richtigerweise hätte ergehen müssen. Nur dann, wenn der Vorprozess keinesfalls hätte gewonnen können, entfällt der Zurechnungszusammenhang; kann aber nur nicht ausgeschlossen werden, dass bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts der Mandant den Vorprozess gewonnen hätte, ist der Zurechnungszusammenhang zu bejahen. Auch die Einbeziehung der Vermögensinteressen eines Dritten kann geschuldet sein. Bei Fehlern zweier Anwälte richtet sich die Haftungsverteilung in erster Linie nach dem Grad der Verursachung der Beteiligten zur Schadensentstehung.
Rz. 41
Fraglich ist, ob auch Schmerzensgeld verlangt werden kann. Dies ist im Grundsatz gemäß § 253 Abs. 2 BGB der Fall. Dies gilt beispielsweise dann, wenn infolge eines Fehlers eines Anwalts eine beantragte Haftverschonung versagt wird bzw. wenn bei Unterbringungsmaßnahmen und anderer auf Freiheitsentziehung gerichteter Verfahren einem Mandaten immaterielle Nachteile entstehen. In diesem Zusammenhang hat der BGH jedoch einschränkend ausgeführt, dass ein Schmerzensgeldanspruch aus § 253 Abs. 2 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn der Schutz der in dieser Bestimmung genannten Rechtsgüter des Mandanten in den Bereich der vom Anwalt übernommenen Pflichten fällt. In dem zugrunde liegen Fall erteilte der Rechtsanwalt versicherungsrechtlich eine falsche Auskunft: der Mandant hatte wegen dieser anwaltlichen Falschberatung geglaubt, für einen Schaden von 600.000 EUR haften zu müssen und litt an Schlaflosigkeit, schweren Erschöpfungszuständen und an Zuständen der Verzweiflung; dies war aber außerhalb des Schutzbereiches des Versicherungsvertrages, bei dem fehlerhaft beraten wurde und damit vom Schadensbegriff nicht umfasst.