Prof. Dr. Jutta Müller-Lukoschek
Rz. 29
Zieht man die Überlegungen der Deutschen Bank nach, ergab sich Folgendes: Die Bank hatte mit dem Erblasser einen Darlehensvertrag geschlossen, sie wird also von ihrer Leistungsverpflichtung (Rückzahlung des Darlehens) nur frei, wenn sie an ihren Gläubiger leistet, und nicht an jemand anderen (§ 362 Abs. 1 BGB). Ihr ursprünglicher Gläubiger ist verstorben, jetziger Gläubiger ist deshalb der Erbe. An diesen muss sie leisten, damit sie frei wird. Liegt ein (deutscher) Erbschein vor, so kann die Bank an den Erbscheinserben wegen des öffentlichen Glaubens mit befreiender Wirkung leisten (vgl. § 2367 BGB); d.h. die Bank braucht sich um die Erbfolge keine Gedanken zu machen; selbst wenn der Erbschein im Einzelfall unrichtig sein sollte, entsteht ihr kein Schaden (sie müsste also nicht noch einmal – an den wahren Erben – zahlen).
Rz. 30
Die zentrale Frage für die Bank war daher, ob die Wirkung des § 2367 BGB auch eintritt, wenn es sich um einen italienischen Erbnachweis handelt. Das war – natürlich – nicht der Fall, auch das italienische Recht macht an seinen Grenzen Halt. Selbst wenn der italienische Erbnachweis vom italienischen Recht mit öffentlichem Glauben versehen ist, kann sich nur der italienische Rechtsverkehr auf die betreffende Vorschrift des italienischen Rechts stützen. Dem deutschen Rechtsverkehr nützt das nichts, die Bank will nach deutschem Recht von ihrer Verpflichtung befreit sein, denn nach diesem könnte sie ansonsten hier in Anspruch genommen werden.
Ergebnis: Die Bank hat einen deutschen Erbschein verlangt.
Rz. 31
Diesen kann nur das (deutsche) Nachlassgericht erteilen. Die erste Frage lautete daher: Ist ein deutsches Gericht zuständig? Die örtliche Zuständigkeit liegt vor, § 343 Abs. 1 FamFG (Wohnsitz; auf Abs. 3 des § 343 kommt es nicht an) und damit auch die internationale Zuständigkeit (§ 105 FamFG).
Es konnte also ein deutscher Erbschein erteilt werden.
Rz. 32
Die Erbfolge richtete sich über Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers, hier also nach italienischem Recht.
Rz. 33
Der (deutsche) Erbschein gab deshalb die Erbfolge nach italienischem Recht wieder, d.h. es wurden die Erbquoten angegeben, die sich nach dem italienischen anwendbaren Recht ergaben. Das Nachlassgericht (der Richter, vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG) war also gezwungen, die erbrechtlichen Vorschriften des Zivilrechts von Italien anzuwenden. In einem solchen Erbschein, der die Erbfolge eines ausländischen Rechts wiedergibt, werden – wie üblich – der Erblasser, die Erben und ihre Quoten (sowie gegebenenfalls Beschränkungen) angegeben (vgl. §§ 2353, 2363, 2364 BGB). Darüber hinaus wurde angegeben, dass sich die Erbfolge nicht nach deutschem, sondern ausländischem (hier italienischem) Recht richtet. Der Erbschein konnte (und sollte) auf das deutsche Vermögen beschränkt werden (§ 2369 BGB).
Rz. 34
Wenn der italienische Erblasser im Fall 5(a) (siehe Rn 28) nur den Sohn S hat, so ist dieser nach italienischem Recht (Codice Civile) Alleinerbe. Das (deutsche) Nachlassgericht hat folgenden Erbschein erteilt:
Der Erblasser I mit italienischer StA ist von seinem Sohn S allein beerbt worden. Die Erbfolge richtet sich nach italienischem (oder ausländischem) Recht.
(Ggf., sofern beantragt: Der Erbschein ist auf das inländische Vermögen beschränkt).