1. Unfähigkeit zur Geschäftsbesorgung
Rz. 7
Der zu betreuende Volljährige muss unfähig sein, seine Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen. Diese Unfähigkeit zur Geschäftsbesorgung muss derart krankheitsbedingt sein, dass der Betreute nicht in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen. Unter der freien Willensbestimmung ist die Fähigkeit des Betroffenen zu verstehen, seinen Willen ohne Einfluss durch Krankheit oder Behinderung zu bilden und nach der gewonnenen Einsicht zu handeln. Dies muss der Tatrichter feststellen. Wird festgestellt, dass die freie Willensbildung des Betroffenen "erheblich beeinträchtigt" ist, folgt daraus noch nicht, dass der Betroffene zu einer freien Willensbildung bezüglich seiner Betreuung nicht mehr in der Lage ist.
Rz. 8
Bloße Nachlässigkeiten des Betroffenen bei Ausübung seiner eigenen Geschäfte oder tolerable Normabweichungen genügen demnach noch nicht, um eine Betreuung einzurichten. Eine mangelhafte Schulausbildung, die Begehung von Straftaten, Arbeitsunlust oder soziale Fehlentwicklungen erfüllen noch nicht die medizinischen Kriterien, um einen Betreuer zu bestellen. Anders, wenn die Normabweichungen zu Gesundheitsgefährdungen führen können oder Rechtskreise Dritter betreffen (z.B. Rattenbefall in einer Messie-Wohnung; Maden- und/oder Schimmelbildung in Essensrückständen, die "gehamstert" werden, u.a.), sofern der Betroffene dies krankheitsbedingt nicht erkennen kann. Selbst wenn sich der Betroffene bis auf Weiteres in Strafhaft befindet, kann eine Betreuungseinrichtung unterbleiben, sofern er bei Bedarf auf die Unterstützung durch den Sozialdienst und das Entlassungsmanagement der Haftanstalt zurückgreifen kann.
2. Kausalität: Krankheit – Unfähigkeit zur Geschäftsbesorgung
Rz. 9
Die Ursache der o.g. Unfähigkeit muss in einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung liegen. Geistige Behinderungen können angeboren oder im Laufe der Zeit aufgetreten sein (z.B. Altersdemenz).
Vorab sind immer sog. soziale Behinderungen, wie z.B. Unangepasstheit, Neigung zu Straftaten, Abweichungen vom "Durchschnittsverhalten", auszuscheiden.
a) Suchterkrankungen
Rz. 10
Schwierig ist die Einordnung von Suchterkrankungen als psychische Krankheiten, welche bei entsprechender Schwere die Einrichtung einer Betreuung ebenfalls begründen können:
Das bloße Vorliegen einer Alkohol- oder Drogenabhängigkeit genügt als Voraussetzung für die Anordnung einer Betreuung noch nicht. Hinzukommen muss, dass diese Abhängigkeit Symptom einer vorhandenen psychischen Krankheit ist oder zu einer solchen geführt hat. Die Abgrenzung ist problematisch und letztlich nur an Hand eines medizinischen Sachverständigengutachtens möglich.
Rz. 11
Psychische Krankheiten im Sinne des § 1814 Abs. 1, Abs. 4 S. 1 BGB sind zunächst die "klassischen", nämlich endogene (z.B. Schizophrenie) wie auch exogene organische Psychosen (Parkinsonerkrankung, Folgen von Enzephalitis u.a.). Hierzu zählt seit jüngerer Zeit auch die Spielsucht als Form der Verhaltenssucht, die gesundheitsbedingt entstanden ist.
Eine Suchterkrankung (siehe Rdn 10) rechtfertigt erst dann die Einrichtung einer Betreuung, wenn sie in kausalem Zusammenhang mit einem der vorbezeichneten Befunde steht.
b) Rehabilitationsmaßnahmen
Rz. 12
Hat eine Sucht- oder sonstige Erkrankung zur Installation einer Betreuung geführt, hat der Betreuer darauf hin zu wirken, die Krankheit so weit als möglich zu beseitigen. Dies kann durch Einleitung geeigneter Rehabilitations- oder Kurmaßnahmen geschehen, sofern die Maßnahme Erfolg versprechend ist.
Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Rehabilitation zur Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit bedarf es im jeweils ärztlichen Gutachten eingehender Darlegung und Abwägung der Gründe, die für und gegen eine Gewährung dieser Rehabilitationsmaßnahme sprechen.
Hierbei genügt keinesfalls allein die Stellungnahme des behandelnden Hausarztes oder gar eine nur formularmäßige Beurteilung durch den ärztlichen Dienst. Vielmehr ist ein detailliertes Gutachten eines fachlich entsprechenden Sachverständigen notwendig.
3. Körperbehinderte
Rz. 13
Für Körperbehinderte (z.B. Blinde, Stumme, Taube) darf ein Betreuer nur auf deren eigenen Antrag hin bestellt werden (§ 1814 Abs. 4 S. 2 BGB), außer der Betroffene kann seinen Willen nicht äußern, § 1814 Abs. 2 BGB. Hintergrund der Ausnahmevo...