Rz. 14

Eine Anfechtung kommt aber anders als die Ausschlagung nur dann in Betracht, wenn tatsächlich ein Anfechtungsgrund besteht und dieser auch nachgewiesen werden kann. Hierfür muss der Erbe nachweisen, dass er einem relevanten Irrtum im Sinne der §§ 119 ff. BGB unterlegen ist.[21]

Als Anfechtungsgrund kommt beim überschuldeten Nachlass die zuvor nicht gekannte Überschuldung des Nachlasses in Betracht, die als Eigenschaftsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 2 BGB anerkannt ist.[22] Hierzu genügt es allerdings nicht, dass der Erbe bekannte Aktiva und Passiva falsch bewertet, sondern der Irrtum muss sich auf die Existenz oder Nichtexistenz bestimmter Nachlassgegenstände oder Verbindlichkeiten, mithin auf die Zusammensetzung des Nachlasses beziehen.[23] Neben der Überschuldung stellt auch die Zugehörigkeit zum Nachlass, die Belastung des Nachlasses mit wesentlichen Verbindlichkeiten, die unbekannt waren oder deren rechtlicher Bestand ungeklärt ist, einen beachtlichen Irrtum dar.[24]

 

Hinweis

Vor diesem Hintergrund mag eine Anfechtung der Annahme auch noch nach Durchführung eines Aufgebotsverfahrens in Betracht kommen.

 

Rz. 15

Der Anfechtungsgrund muss – zumindest aus Gründen anwaltlicher Vorsicht – in der Anfechtungserklärung (grob) genannt sein.[25] Der Anfechtungsberechtigte kann seine ursprüngliche Anfechtungserklärung aber auch später noch mit Erläuterungen und Ergänzungen versehen, soweit es sich nicht um neue Anfechtungsgründe handelt.[26]

Der Irrtum muss außerdem für die Annahme der Erbschaft kausal gewesen sein. Von der Überschuldung bzw. den Nachlassverbindlichkeiten darf der Erbe, der anfechten will, bei der Annahme nichts gewusst haben. Bei der Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist gemäß § 1956 BGB sind für die Kausalitätsprüfung des Irrtums für den hypothetischen Kausalverlauf die dem Anfechtenden zum Zeitpunkt des Fristablaufs bekannten und darüber hinaus die für ihn damals mit zumutbarer Anstrengung erfahrbaren Umstände zugrunde zu legen, nicht jedoch wesentlich später bekannt gewordene Tatsachen.[27]

 

Rz. 16

Die Beweislast für das Vorliegen eines relevanten Irrtums trägt der Ausschlagende.

[21] Vgl. NK-BGB/Ivo, § 1954 BGB Rn 3 ff., 11 ff., zum Inhaltsirrtum OLG Düsseldorf, Beschl. v. 15.12.2016 – I-3 Wx 314/15, ErbR 2017, 233 = ZEV 2017, 177.
[23] OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.10.2016 – I-3 Wx 155/15, ErbR 2017, 518 = ZEV 2016, 721; BayObLG, Beschl. v. 5.7.2002 – 1Z BR 45/01, FamRZ 2003, 121; BayObLG, Beschl. v. 22.12.1997 – 1Z BR 138–97, FamRZ 1998, 924.
[24] BGH, Urt. v. 8.2.1989 – IVa ZR 98/87, FamRZ 1989, 496; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.1.2017 – I-7 U 37/16, ErbR 2017, 276.
[25] OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.5.2007 – 19 U 58/05, ZEV 2007, 380, 381; BayObLG, Beschl. v. 20.12.1993 – 1Z BR 33/93, ZEV 1994, 105, 106; BeckOK/Siegmann/Höger, § 1945 BGB Rn 2; MüKoBGB/Leipold, § 1945 BGB Rn 5; a.A. BeckOGK/Heinemann, § 1955 BGB Rn 17.
[27] KG, Beschl. v. 28.11.2014 – 6 W 140/14, ErbR 2015, 155 = ZErb 2015, 55 = ZEV 2015, 96, m. Anm. Löhning/Plettenberg.

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