Dr. iur. Stephanie Herzog
Rz. 39
Für die erbrechtlichen Geschäfte vor der Ausschlagung bzw. nach erfolgreicher Anfechtung der Annahme der Erbschaft haften die Erben wie ein Geschäftsführer ohne Auftrag, § 1959 Abs. 1 BGB. Insbesondere hat der ausschlagende Erbe den Nachlass nach §§ 1959 Abs. 1, 667 BGB herauszugeben. Bei Pflichtwidrigkeit haftet er auf Schadensersatz nach §§ 1959 Abs. 1, 280 ff., 677, 678 BGB. Diese Haftung kann der Erbe nicht auf den Nachlass beschränken; sie trifft ihn persönlich, da sie in seiner eigenen Handlung begründet liegt und diese gerade zu einer Minderung des Nachlasses geführt hat, die auszugleichen ist.
Rz. 40
Die Ansprüche aus § 1959 Abs. 1 i.V.m. §§ 677 ff. BGB bestehen zwischen endgültigem Erben, § 1953 Abs. 2 BGB (bei Kettenausschlagung, rglm. dem Fiskus nach § 1936 BGB), und vorläufigem Erben, § 1953 Abs. 1 BGB.
Hinweis
Sie stehen also nicht wie bei § 1978 Abs. 1 S. 1 BGB im Falle der späteren endgültigen Haftungsbeschränkung ohne Ausschlagung oder Anfechtung der Annahme den Nachlassgläubigern zu, sondern werden vom endgültigen Erben (bzw. vom Nachlassverwalter oder Nachlassinsolvenzverwalter) geltend gemacht. Die Nachlassgläubiger könnten aber in diese Ansprüche hinein pfänden nach §§ 828 ff. ZPO.
Rz. 41
Die Verwaltung des vorläufigen Erben kommt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gleich, weil er ohne Annahme der Erbschaft bzw. infolge der Anfechtung der Erbschaftsannahme und deren rückwirkender Vernichtung seiner Position als Erbe gemäß §§ 1953, 1957 BGB nicht verpflichtet war, den Nachlass zu verwalten. Ist Handlungsbedarf gegeben, so hat das Nachlassgericht zum Schutz des Nachlasses tätig zu werden und nicht der vorläufige Erbe. Es hat die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, insbesondere Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB anzuordnen. Der vorläufige Erbe kann sich also darauf beschränken, den Nachlass zu sichten. Aus einer nicht erfolgten Verwaltungsübernahme und evtl. daraus entstandenen Schäden kann der vorläufige Erbe nicht in Anspruch genommen werden.
Hinweis
Übernimmt der Erbe allerdings die vorläufige Verwaltung des Nachlasses, so muss er darauf achten, dass sich sein Verhalten nicht als konkludente Erbschaftsannahme darstellt. Denn hierdurch würde er die Ausschlagungsmöglichkeit verlieren. § 1959 BGB gilt aber natürlich auch bei Anfechtung der Annahme.
Rz. 42
Ferner muss er die Geschäfte so führen, dass es dem Interesse des endgültigen Erben – da er diesen nicht kennt, denen eines verständigen Erben – entspricht, um sich keiner Haftung aus §§ 1959 Abs. 1, 678 BGB (Übernahmeverschulden) auszusetzen und um seine Aufwendungen nach §§ 1959 Abs. 1, 683 S. 1, 670 (257) BGB (Masseverbindlichkeit in der Insolvenz, § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO) im Falle der Ausschlagung oder Anfechtung der Annahme vom endgültigen Erben ersetzt zu bekommen. Er muss dann allerdings das zur Ausführung der Verwaltungsmaßnahme aus dem Nachlass Entnommene bzw. das aus der Verwaltungsmaßnahme heraus Erlangte gemäß §§ 1959 Abs. 1, 681 S. 2, 667 BGB im Falle der Ausschlagung oder Anfechtung der Annahme an den endgültigen Erben herausgeben.
Rz. 43
Er darf auch bei Verwaltungsmaßnahmen, die dem Interesse des endgültigen Erben entsprechen, keine schuldhafte Pflichtverletzung bei der Ausführung der Verwaltungsmaßnahme begehen, denn in diesem Fall wäre er einer Schadensersatzhaftung nach §§ 1959 Abs. 1, 280 Abs. 1, 677 BGB (Ausführungsverschulden) ausgesetzt. Im Falle des § 1959 Abs. 2 BGB (Notgeschäftsführung) ist allerdings die Haftungsprivilegierung des § 680 BGB zu beachten: Der vorläufige Erbe haftet nur im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit.
Rz. 44
Ein Schaden kann insbesondere durch die Verfügung über Nachlassgegenstände zu Lasten des Nachlasses eintreten. Im Falle der Unwirksamkeit der Verfügung kann der endgültige Erbe gemäß § 985 BGB auch gegen den Dritten vorgehen, sodass regelmäßig kein Schaden entsteht (Ausnahme im Falle der Genehmigung der Verfügung, siehe unten Rdn 46). Eine Haftung des vorläufigen Erben wird daher vor allem relevant, wenn die Verfügung an den Dritten wirksam ist und dem endgültigen Erben damit ein Schaden entstanden ist.
Rz. 45
Die Verfügung eines vorläufigen Erben ist wegen des rückwirkenden Verlustes der Erbenstellung die eines Nichtberechtigten. Daher ist die Verfügung nur wirksam, wenn
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ein Fall von § 1959 Abs. 2 BGB vorliegt, d.h. die Verfügung nach objektivem Maßstab zum Zeitpunkt der Verfügung keinen Aufschub duldet, |
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der Dritte gutgläubig nach §§ 932 ff., 892, 2366 BGB erwirbt oder |
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der endgültige Erbe die Verfügung genehmigt, § 185 Abs. 2 Var. 1 BGB. |
Rz. 46
Selbst wenn also ein gutgläubiger Erwerb des Dritten scheitert, kann der endgültige Erbe jederzeit die Verfügung an den Dritten durch bloße Genehmigung der Verfügung wirksam machen. Die Genehmigung liegt nach ständiger Rechtsprechung i.d.R. konkludent im Herausgabeverlangen gegenüber dem vorläufigen Erben auf Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten. In diesen Fällen ist der vorläufige Erbe neben ...