Dipl.-Kfm. Michael Scherer
Rz. 9
Der Rechtsmittelstreitwert entscheidet in vermögensrechtlichen Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Einlegung eines gegen eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Rechtsmittels. Den Rechtsmittelstreitwert bezeichnet § 2 ZPO als "Wert der Beschwer" bzw. als "Wert des Beschwerdegegenstands" und hebt ihn damit für die Rechtsmittelinstanzen vom "Wert des Streitgegenstandes" als Zuständigkeitsstreitwert für die erste Instanz ab.
Rz. 10
Gemäß § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 600 Euro übersteigt. Eine Ausnahme davon wird nach § 511 Abs. 1 Ziff. 2, Abs. 4 ZPO gemacht, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Fortbildung des Rechts bzw. einer einheitlichen Rechtsprechung dient.
Der gleiche Wert (600 Euro) gilt für die (sofortige) Beschwerde in vermögensrechtlichen Familiensachen gemäß § 61 FamFG. Auch hier kann bei grundsätzlicher Bedeutung der Sache eine Zulassung der Beschwerde bei einem niedrigeren Verfahrenswert erfolgen. In Familiensachen tritt sozusagen die (sofortige) Beschwerde an die Stelle der Berufung im Zivilprozess.
Rz. 11
Gemäß § 567 Abs. 2 ZPO ist eine sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten nur zulässig, wenn ein dort bestimmter "Wert des Beschwerdegegenstandes" überstiegen wird; dieser Wert beträgt 200 Euro. Dies betrifft im Wesentlichen sofortige Beschwerden gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse (vgl. § 1 Rdn 70 ff.) und gegen Entscheidungen über die Verpflichtung, die Prozesskosten zu tragen.
Nach der Bestimmung des § 2 ZPO ist der Rechtsmittelstreitwert gemäß den §§ 3 bis 9 ZPO zu ermitteln.
Rz. 12
Voraussetzung für das Einlegen eines Rechtsmittels ist, das derjenige, der das Rechtsmittel einlegt, "beschwert" ist. "Beschwer" bedeutet, dass die Entscheidung, die angefochten werden soll, für denjenigen, der das Rechtsmittel einlegt, ungünstig ist. Das ist dann der Fall, wenn man etwas bei Gericht beantragt hat, was dann vom Gericht versagt wird. Die "Beschwer" ist also der Gegenstand, um den eine Partei durch eine gerichtliche Entscheidung benachteiligt ist.
Für die Zulässigkeit der Berufung oder der sofortigen Beschwerde muss nach den §§ 511 Abs. 2 Ziff. 1, 567 Abs. 2 ZPO der dort bestimmte "Wert des Beschwerdegegenstands" überschritten werden. Der "Wert des Beschwerdegegenstands" ist also maßgeblich, nicht der "Wert der Beschwer". Das heißt nichts anderes, als dass es nicht darauf ankommt, welcher Betrag in der angefochtenen gerichtlichen Entscheidung steht, sondern es kommt auf den Betrag an, dessen Änderung in der Rechtsmittelschrift beantragt wird. So könnte jemand, der zur Zahlung von 20.000,00 EUR verurteilt wurde, Berufung nur wegen eines Teilbetrages von 12.000,00 EUR einlegen.
In der ersten Instanz bestimmt der Klageantrag des Klägers den Zuständigkeitsstreitwert. In der Rechtsmittelinstanz ergibt sich der Streitwert also aus dem Rechtsmittelantrag des Rechtsmittelklägers bzw. des Beschwerdeführers. Der Beschwerdegegenstand ist dann also der Streitgegenstand, um den es in der Rechtsmittelinstanz geht. Und über die Zulässigkeit des Rechtsmittels entscheidet der "Wert des Beschwerdegegenstands".
Beispiel:
Althans klagt gegen Jungheinrich auf Zahlung von 4.000,00 EUR wegen Kaufpreisforderung und auf Zahlung von 500,00 EUR wegen Schadenersatzforderung. Der Klage wird wegen der Kaufpreisforderung stattgegeben und wegen der Schadenersatzforderung wird sie abgewiesen.
Legt Jungheinrich wegen der 4.000,00 EUR Berufung ein, so ist dieser Rechtsmittelantrag zulässig, da die Berufungssumme von 600,00 EUR überschritten wird.
Althans kann wegen der 500,00 EUR keine Berufung einlegen.
Beispiel:
Wie vorstehendes Beispiel. Jungheinrich möchte nur wegen eines Teilbetrages der Kaufpreisforderung in Höhe von 600,00 EUR in die Berufung gehen. Er wurde zwar zur Zahlung von 4.000,00 EUR verurteilt, aber da sein Rechtsmittelantrag nur die 600,00 EUR betrifft, ist die Berufung unzulässig, da jetzt der "Wert des Beschwerdegegenstandes" nicht die Berufungssumme von 600,00 EUR um mindestens 1 Cent übersteigt.
Die Verurteilung Jungheinrichs zur Zahlung der 4.000,00 EUR nennt man übrigens dessen Beschwer.
Es sei noch darauf hingewiesen, dass nicht nur die Berufungssumme überschritten sein muss, sondern dass auch grundsätzlich dem Gericht der ersten Instanz zur Begründung der Berufung ein rechtlicher Fehler nachgewiesen werden muss (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Merke:
Der Rechtsmittelstreitwert entscheidet über die Zulässigkeit der Einlegung eines Rechtsmittels in vermögensrechtlichen Streitigkeiten.
Die Berufung ist zulässig, wenn der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 600 Euro übersteigt.
Eine Kostenbeschwerde ist zulässig, wenn der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 200 Euro übersteigt.
Bei der Berufung und bei der sofortigen Beschwerde richtet sich der "Wert des Beschwerdegegenstandes" nach dem gestellten Antrag.
In vermögensrechtlichen Familiensachen ist die (sofortige) Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 E...