Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 208
Gesetzliche Regelungen zu nachvertraglichen Wettbewerbsverboten finden sich vor allem in den §§ 74ff. HGB. Die Vorschrift des § 74 HGB definiert das nachvertragliche Wettbewerbsverbot zunächst als jede Vereinbarung, die den Arbeitnehmer für die Zeit nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Die Vorschriften der § 74ff. gelten nach der Rechtsprechung des BAG im Übrigen für alle Arbeitnehmer einschließlich leitender Angestellter, dagegen nicht (jedenfalls nicht unmittelbar) für Vorstände einer AG, GmbH-Geschäftsführer und sonstige Organmitglieder. Wie bereits ausgeführt, besteht der wesentliche Unterschied im Vergleich zu den gesetzlichen Regelegungen betreffend das vertragliche Wettbewerbsverbot darin, dass die §§ 74 ff. HGB kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot an sich einschließlich entsprechender Rechtsfolgeregelungen enthalten, sondern ganz im Gegenteil vor allem formale und sachliche Anforderungen an die wirksame vertragliche Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten. Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot bedarf also – abgesehen von seltenen Ausnahmefällen, in denen ähnliche Pflichten in engem Umfang bereits aus nachvertraglichen Treuepflichten abgeleitet werden – stets einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung.
Rz. 209
Eine der wesentlichen materiellen Vorgaben für nachvertragliche Wettbewerbsverbote enthält § 74 Abs. 2 HGB, wonach ein verbindliches Wettbewerbsverbots voraussetzt, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Dauer des Verbots eine sog. Karenzentschädigung zahlt, die für jedes Jahr des Verbots mindestens die Hälfte der zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen erreichen muss. Aufgrund dieser doch recht erheblichen wirtschaftlichen Kosten nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist vor einer Vereinbarung stets zu überlegen, für welchen Personenkreis dies überhaupt sinnvollerweise in Betracht kommen soll. Außerhalb des Bereichs von Executives und Knowhow-Trägern in insbesondere sensiblen Bereichen (Sales, Entwicklung etc.) wird dies in aller Regel nicht der Fall sein. Und selbst hier ist stets im Einzelfall eine wirtschaftliche Abwägung vorzunehmen, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zweckdienlich ist und wenn ja, für welchen Zeitraum. Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten handelt es sich somit um keine Regelung, die grundlegender Bestandteil von Arbeitsverträgen ist, sondern um ein Instrument, das vor allem aufgrund der damit verbundenen Kostenlast nur passgenau in bestimmten Fällen zum Einsatz kommen sollte.
Rz. 210
Hierfür spricht im Übrigen auch ein rechtliches Argument. Denn § 74a Abs. 1 HGB enthält eine weitere Beschränkung für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die selbst bei der Vereinbarung einer hinreichenden Karenzentschädigung unverbindlich sind, soweit sie nicht dem Schutz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers dienen. Hierzu zählt nach der Rechtsprechung das BAG bspw. der Schutz von Betriebsgeheimnissen oder etwa die Verhinderung des "Einbruchs" eines ausgeschiedenen Mitarbeiters in den Kunden- oder Lieferantenkreis des Unternehmens unter Ausnutzung besonderer Kenntnisse und/oder persönlicher Kontakte. Nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Mitarbeitern, die nicht über derartige Kenntnisse verfügen, sind also nicht nur wirtschaftlich wenig zweckdienlich, sondern auch mit der Gefahr verbunden, dass sie gar nicht verbindlich vereinbart werden können, d.h. der Mitarbeiter ein Wahlrecht hat, ob er das Wettbewerbsverbot einhält und die vereinbarte Karenzentschädigung verlangt oder das Verbot schlicht ignoriert.