Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 126
Zwischenzeitlich geklärt ist auch die Frage, ob und welche Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers bei der Urlaubsgewährung bestehen. Das BAG hatte den EuGH hierzu in den letzten Jahren mehrfach angerufen und Antworten erhalten. Begonnen hatte dieses "Frage-Antwort-Spiel" mit der BAG-Anfrage, die in die sog. "Max-Planck-Entscheidung" des EuGH aus dem Jahr 2018 mündete. Danach besteht zwar keine Pflicht des Arbeitgebers zur einseitigen Gewährung des Urlaubs, allerdings muss dieser den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, den Urlaub in Anspruch zu nehmen. Das BAG hat in seiner dieses Urteil umsetzenden Folgeentscheidung wichtige Hinweise gegeben, was aus seiner Sicht durch den Arbeitgeber zu unternehmen ist. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilen, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht beantragt. Aus Sicht des BAG genügt hierfür eine einmalige Unterrichtung in Textform zu Beginn des Kalenderjahres, in der der Arbeitnehmer auf die ihm im jeweiligen Jahr zustehenden Urlaubstage hingewiesen wird, verbunden mit der Aufforderung, diese zu nehmen. Wichtig ist der Hinweis, dass der Urlaub grundsätzlich verfällt, sollte er nicht bis zum Ende des Kalenderjahres beantragt werden. Zudem dürfe der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auch nicht in sonstiger Weise, z.B. durch Gewährung von Anreizen, daran hindern, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen. Nimmt der Arbeitnehmer in diesem Fall den Urlaub nicht, obwohl er ihn hätte nehmen können, verfällt der Urlaub. Zu beachten ist ebenfalls, dass bei gegebenenfalls übertragenem Urlaub der Arbeitnehmer noch einmal ausdrücklich auf den Bestand des Resturlaubs und dessen möglichen Verfall zum Ende des Übertragungszeitraums hinzuweisen ist. Geschieht dies nicht separat, ist der übertragene Urlaub in den Hinweis für das Folgejahr aufzunehmen, wenn der Arbeitgeber einen Verfall zum Ende des Kalenderjahres erreichen will. Hierbei sollte zur Wahrung der Transparenz klargestellt werden, aus welchem Urlaubsjahr noch wie viele Urlaubstage zur Verfügung stehen. Der obenstehende Klauselvorschlag ist lediglich als grundsätzliche Darstellung der bei der Urlaubsgewährung und Übertragung zu beachtenden Parameter im Vertrag zu verstehen und entbindet nicht von der jährlichen Unterrichtungspflicht. Durch die ausdrückliche Möglichkeit der einseitigen Gewährung des Urlaubs durch den Arbeitgeber soll zudem ermöglicht werden, dem Abbau der Urlaubsansprüche Genüge zu tun. Es ist zu beachten, dass betroffene Urlaubsansprüche nicht verfallen, wenn der Arbeitgeber seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommt. Sie werden dann den Urlaubsansprüchen des Folgejahres hinzugerechnet.
Rz. 127
Ergänzend liegen nunmehr auch Entscheidungen zur Frage vor, ob die Mitwirkungsobliegenheit auch gegenüber Langzeiterkrankten besteht und wie sich eine Verletzung dieser Obliegenheit auf die entsprechenden Urlaubsansprüche auswirkt. Zunächst hatte das BAG festgestellt, dass der Arbeitgeber seiner Hinweisobliegenheit auch dann nachkommen muss, wenn und solange der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist. Ist der Arbeitgeber seiner Obliegenheit nicht nachgekommen, ist zu differenzieren: War der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig oder trat die bis zu diesem Zeitpunkt fortbestehende Arbeitsunfähigkeit im Verlauf des Urlaubsjahres ein, ohne dass dem Arbeitnehmer vor deren Beginn (weiterer) Urlaub hätte gewährt werden können, verfallen die betroffenen Urlaubsansprüche unabhängig davon, ob der Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit nachgekommen ist. Anders ist es, wenn der Arbeitnehmer unterjährig langzeiterkrankt und den Urlaub bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zumindest teilweise hätte nehmen können. Dann verfallen seine Urlaubsansprüche aus diesem Jahr nach Ablauf des 15-Monats-Zeitraums nicht, sofern der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheit verletzt hat.
Rz. 128
Die Auswirkungen dieser Entscheidungen in deutschen Unternehmen hängen insbesondere davon ab, wie die bisherige Praxis der Urlaubsgewährung aussieht. Bei einer frühzeitigen Urlaubsplanung – ggf. unter Beteiligung des Betriebsrates gemäß § 87 Abs. 5 BetrVG – und Umsetzung dieser Planung dürfte wenig Änderungsbedarf in der täglichen Handhabung bestehen. Wurde schon bislang die Urlaubsgewährung nachlässig gehandhabt, möglicherweise verbunden mit der Hoffnung, weniger Urlaub als vereinbart gewähren zu müssen, besteht Änderungsbedarf. Dies ergibt sich auch aus dem medialen Echo, das die genannten Entscheidungen erfahren haben. Zu beachten ist, dass die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheit auch Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfristen des Urlaubsanspruchs hat. Das BAG hat in unionsrechtskonformer Auslegung der §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG entschieden, dass die Verjähr...