Dr. iur. Thilo Mahnhold, Dr. Claudia Schramm
Rz. 373
Die gesetzlichen Regelungen können in der Praxis gerade aus Arbeitgebersicht zu dem bisweilen unbefriedigenden Ergebnis führen, dass arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen an einem weit vom Unternehmensstandort entfernten Arbeitsgericht ausgetragen werden müssen oder dass – gerade bei größeren, standortübergreifenden Restrukturierungen – eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitsgerichte mit gleichgelagerten Sachverhalten befasst wird, was die Gefahr inhaltlich divergierender Entscheidungen mit sich bringt. Es kann daher ein Interesse daran bestehen, die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts durch eine vertragliche Vereinbarung über den Gerichtsstand (sog. Prorogation) zu beeinflussen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Frage der örtlichen, sondern u.U. auch für die Frage der sachlichen Zuständigkeit bzw. des im Konfliktfall zu beschreitenden Rechtswegs (siehe §§ 2, 2a ArbGG). Allerdings sind die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten in arbeitsrechtlichen Sachverhalten insoweit ausgesprochen begrenzt.
Rz. 374
Nach den Regelungen der §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 38 Abs. 1 ZPO ist nämlich eine Vereinbarung über das zuständige Gericht im Vorfeld des Entstehens der Streitigkeit nur dann möglich, wenn die Parteien des Konflikts Kaufleute, juristische Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtliche Sondervermögen sind. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst eine vertragliche Vereinbarung über den Erfüllungsort die örtliche Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Arbeitsgerichts nur dann zu begründen vermag, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind (siehe § 29 Abs. 2 ZPO). Da die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 ZPO in arbeitsrechtlichen Sachverhalten allerdings fast nie gegeben sein werden, sind wirksame Gerichtsstandsvereinbarungen im Arbeitsvertrag weitestgehend ausgeschlossen (dies gilt unabhängig davon, ob der Versuch einer solchen Regelung innerhalb von AGB oder in individuell ausgehandelten Klauseln unternommen wird). So ist auch die hier eingangs als erste Variante vorgeschlagene Klausel rechtlich unzulässig. Ein Argument dafür, eine solche Klausel dennoch in den Vertrag aufzunehmen, mag allerdings die Hoffnung sein, dass sich die Parteien trotz rechtlicher Unzulässigkeit der Klausel tatsächlich nach dieser richten werden.
Rz. 375
Ausnahmen vom grds. bestehenden Verbot einer Prorogation finden sich in § 38 Abs. 2 und 3 ZPO. Zulässig sind Gerichtsstandregelungen danach auch ohne Erfüllung der Anforderungen des § 38 Abs. 1 ZPO, wenn wenigstens eine der Parteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat (§ 38 Abs. 2 ZPO), wenn die Vereinbarung nach dem Entstehen der Streitigkeit geschlossen wird (§ 38 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) oder wenn die Vereinbarung für den Fall geschlossen wird, dass die in Anspruch zu nehmende Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort aus dem Geltungsbereich der ZPO verlegt oder ihr Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthaltsort im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die oben abgebildete zweite Klauselvariante stellt einen Vorschlag dar, der sich an diesen Ausnahmetatbeständen orientiert. Die praktische Bedeutung dieser Tatbestände ist allerdings gering.
Rz. 376
Auch eine arbeitsvertragliche Beeinflussung des zu beschreitenden Rechtswegs oder der sachlichen Zuständigkeit (gemeint ist hier die Frage, ob der Prozess beim Arbeitsgericht oder ggf. gleich beim Landesarbeitsgericht zu beginnen ist), ist nur in Ausnahmefällen denkbar. Nach § 8 Abs. 1 ArbGG sind arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen im absoluten Regelfall vor den Arbeitsgerichten erster Instanz zu beginnen. Anderes gilt nur dann, wenn ein Gesetz eine Ausnahme hiervon vorsieht (so wie z.B. in den Fällen der §§ 97, 98 ArbGG). Die Regelung ist zwingend und kann nicht durch Parteivereinbarung überwunden werden.
Rz. 377
Hinsichtlich der Frage des Rechtswegs ermöglichen allenfalls und ebenfalls nur sehr beschränkt die § 2 Abs. 3 und Abs. 4 sowie § 4 ArbGG vom gesetzlichen "Normalfall" abweichende Vereinbarungen. So kann nach § 2 Abs. 3 ArbGG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte um an sich nicht in die Zuständigkeit dieser Gerichte fallende Ansprüche erweitert werden, wenn diese mit einem arbeitsrechtlichen Konflikt zusammenhängen (sog. Zusammenhangsklage). § 2 Abs. 4 ArbGG ermöglicht es zudem, auch für Fälle eines Konflikts zwischen Organmitgliedern und ihrer Anstellungsgesellschaft die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu vereinbaren. Nach § 4 ArbGG kann schließlich der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten durch einen Verweis auf das in den §§ 101 ff ArbGG geregelte Schiedsverfahren ausgeschlossen werden.
Rz. 378
Eine Regelung über den Gerichtsstand kann letztlich auch noch durch Inbezugnahme eines Tarifvertrags Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden: Gemäß § 48 Abs. 2 ArbGG können nämlich die Tarifvertragsparteien Regelungen über den Gerichtsstand treffen. Solche Regelungen gelten im Falle eines Tarifvertrags nach § 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ArbGG i...