Rz. 16

Die Abrechnungsgrundsätze (ausführliche Darstellung siehe § 1 Rdn 124 ff.) regeln die Höhe derjenigen Gebühren, die der Anwalt vom gegnerischen Haftpflichtversicherer für die Regulierung beanspruchen kann. Auf das Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant haben sie keine unmittelbare Auswirkung, weil der Mandant an der Vereinbarung dieser Grundsätze nicht beteiligt ist. Im Verhältnis zum Mandanten ist der Anwalt daher weiterhin an die gesetzlichen Gebühren bzw. an eine getroffene Vergütungsvereinbarung gebunden. Allerdings ergeben sich aus den Abrechnungsgrundsätzen dann gewisse Reflexwirkungen auf das Verhältnis zum Mandanten, wenn der Erstattungsanspruch nach den Abrechnungsgrundsätzen nicht mit dem Gebührenanspruch im Innenverhältnis übereinstimmt.

 

Rz. 17

 

Beispiel

Anwalt A reguliert für Halter H einen Unfallschaden in Höhe von 10.000 EUR, wobei der Gegner nach Durchführung einer Besprechung freiwillig die volle Summe zahlt. Die Angelegenheit ist überdurchschnittlich umfangreich. Gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers, rechnet der Anwalt für seine Tätigkeit vereinbarungsgemäß eine 1,5-Gebühr aus einem Wert von 10.000 EUR ab.

Hier ergibt sich aus der Anwendung der Abrechnungsgrundsätze keine Besonderheit, weil A auch im Verhältnis zu H eine 1,5-Geschäftsgebühr aus 10.000 EUR nach Nr. 2300 VV RVG in Rechnung stellen kann.

 

Rz. 18

Anders liegt es jedoch, wenn der Erstattungsanspruch nach den Abrechnungsgrundsätzen nicht mit dem Gebührenanspruch im Innenverhältnis übereinstimmt, wobei dies verschiedene Ursachen haben kann.

1. Unterschiedliche Gebührensätze

 

Rz. 19

Die Gebührenansprüche gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer einerseits und dem Mandanten andererseits können deshalb unterschiedlich sein, weil den jeweiligen Abrechnungen andere Gebührensätze zugrunde liegen.

 

Rz. 20

 

Beispiel

Für eine außergerichtliche Unfallregulierung sind mehrere Besprechungen erforderlich (überdurchschnittliche Angelegenheit). Schließlich wird mit dem gegnerischen Versicherer ein Vergleich geschlossen.

Nach den Abrechnungsgrundsätzen kann der Anwalt eine 1,5- bzw. 1,8-Geschäftsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer liquidieren. An gesetzlichen Gebühren sind eine 1,5-Geschäftsgebühr sowie eine 1,5-Einigungsgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer entstanden.

 

Rz. 21

In diesen Fällen kann der Anwalt gegen seinen Mandanten keine Differenzforderung geltend machen.[10] Denn liquidiert der Anwalt nach den Abrechnungsgrundsätzen, so liegt darin gleichzeitig ein Verzicht auf die Abrechnung nach dem höheren gesetzlichen Gebührensatz. Ein solcher Verzicht, der im eigenen Interesse des Anwalts liegt, kann jedoch nicht zu Lasten des Mandanten wieder ausgeglichen werden. Insofern muss man die Erklärung des Anwalts gegenüber dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, nach den geringeren Gebührensätzen der Abrechnungsgrundsätze liquidieren zu wollen, auch als konkludente Erklärung gegenüber dem Mandanten ansehen, diese Gebühren nicht geltend zu machen.

 

Rz. 22

Umgekehrt ist der Anwalt jedoch auch nicht verpflichtet, einen eventuellen Mehrbetrag an den Mandanten auszukehren, wenn der Gebührensatz der Abrechnungsgrundsätze über den gesetzlichen Gebühren liegt.

 

Rz. 23

 

Beispiel

Auf das außergerichtliche Aufforderungsschreiben des Anwalts (insgesamt durchschnittliche Angelegenheit) zahlt der Versicherer freiwillig.

Gegenüber dem Versicherer kann für diese Tätigkeit eine 1,5- bzw. 1,8-Geschäftsgebühr in Rechnung gestellt werden, während gegenüber dem Mandanten aus Nr. 2300 VV RVG nur eine 1,3-Geschäftsgebühr abgerechnet werden könnte.

[10] Mümmler, JurBüro 1987, 1144; Greißinger, zfs 1995, 1; Enders, JurBüro 1995, 337, 340; Enders, JurBüro 1996, 574, 575; Matzen, AnwBl 1973, 60, 61; AnwK-RVG (N. Schneider), Anhang I Rn 62 ff.

2. Unterschiedliche Erledigungswerte

 

Rz. 24

Sind die Gebührenansprüche gegenüber Haftpflichtversicherer und Mandant deshalb unterschiedlich, weil den jeweiligen Abrechnungen andere Gegenstandswerte zugrunde liegen, ist eine Nachforderung beim Mandanten nach herrschender Meinung zulässig.[11] Eine solche Differenz kann insbesondere auftreten, wenn der Versicherer die vom Mandanten geltend gemachte Forderung nur teilweise reguliert.

 

Rz. 25

 

Beispiel

Eigentümer E will nach einem Verkehrsunfall seinen Sachschaden in Höhe von 7.500 EUR geltend machen und beauftragt Anwalt A (überdurchschnittlich umfangreiche Angelegenheit). Der Versicherer wendet ein hälftiges Mitverschulden des E ein und zahlt nur 3.750 EUR.

Folgende Gebühren sind für A entstanden (Wert: 7.500 EUR):

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300   753,00 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 773,00 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   146,87 EUR
Gesamt   919,87 EUR

Gegenüber dem Versicherer kann A abrechnen (Wert: 3.750 EUR):

 
1. 1,5-Geschäftsgebühr (Abrechnungsgrds.)   417,00 EUR
2. Auslagenpauschale, VV 7002   20,00 EUR
Zwischensumme 437,00 EUR  
3. Umsatzsteuer, VV 7008   83,03 EUR
Gesamt   520,03 EUR

Den Differenzbetrag von 399,84 EUR kann A von E verlangen, denn es ist allein das (gebührenrechtliche) ...

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