Dr. Julia Bettina Onderka, Dr. Michael Pießkalla
Rz. 112
Haben Anwalt und Mandant eine Vergütungsvereinbarung getroffen, gilt diese zunächst nur im Innenverhältnis. Der erstattungspflichtige Gegner, der am Abschluss dieser Vereinbarung nicht beteiligt ist, ist nur zur Erstattung der gesetzlichen Gebühren verpflichtet. Eventuell verbleibende Restbeträge hat der Mandant im Verhältnis zu seinem Anwalt selbst zu tragen bzw. bei seinem Rechtsschutzversicherer geltend zu machen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Überschreiten der gesetzlichen Gebühren
Rz. 113
Hat der Anwalt mit seinem Auftraggeber eine Vergütung vereinbart, die die gesetzlichen Gebühren übersteigt, so besteht die Erstattungspflicht des Gegners nur in Höhe der (fiktiven) gesetzlichen Gebühren. Die Vergütungsvereinbarung würde sonst als Vertrag zu Lasten Dritter einen Erstattungsanspruch begründen, den das Gesetz nicht vorsieht. Der Auftraggeber kann die entsprechenden Kosten vom Schädiger weder im Rahmen der prozessualen Kostenausgleichung noch als materiellrechtlichen Schadensersatz verlangen. Denn er verstößt gegen seine Schadensminderungspflicht aus § 254 BGB, wenn er eine höhere als die gesetzliche Vergütung vereinbart. Auch der eigene Rechtsschutzversicherer trägt nur die Anwaltskosten bis zur Höhe der (fiktiven) gesetzlichen Vergütung (vgl. dazu Rdn 138).
Rz. 114
Hinweis
Sieht sich der Anwalt nicht in der Lage, die Unfallregulierung zu den gesetzlichen Gebühren zu übernehmen, so sollte er den Mandanten vorab darauf hinweisen, dass auch im Fall des vollständigen Obsiegens ein Teil der Vergütung von diesem selbst getragen werden muss, und ihm die Gründe darlegen, die ein Überschreiten der gesetzlichen Vergütung erforderlich machen.
2. Unterschreiten der gesetzlichen Gebühren
Rz. 115
In außergerichtlichen Angelegenheiten kann nach § 4 Abs. 1 RVG eine Vergütung vereinbart werden, die niedriger ist als die gesetzlichen Gebühren. Für sonstige Tätigkeiten des Anwalts – insbesondere für die gerichtliche Tätigkeit – wird dies durch § 49b Abs. 1 S. 1 BRAO untersagt. Wird der Anwalt auf Grundlage einer solchen Vergütungsvereinbarung tätig, so kann der Auftraggeber vom erstattungspflichtigen Gegner die entstandene Vergütung bis maximal zur Höhe der (fiktiven) gesetzlichen Gebühren verlangen. Insofern entfaltet die Vergütungsvereinbarung im Innenverhältnis auch Auswirkungen auf das Erstattungsverhältnis zwischen Mandant und Schädiger. Denn wenn der Mandant dem Anwalt nur eine geringere als die gesetzliche Vergütung schuldet, darf er auch nur Zahlung dieses Betrages verlangen.
Rz. 116
Beispiel
Eigentümer E beauftragt Anwalt A mit der außergerichtlichen Regulierung eines Verkehrsunfalls (Sachschaden in Höhe von 6.000 EUR, durchschnittlich umfangreich und schwierig). E und A vereinbaren ein Pauschalhonorar von 500,00 EUR. Gegner G zahlt auf die Mahnung des A hin freiwillig.
Die gesetzlichen Gebühren des A belaufen sich auf einen Betrag von 627,13 EUR (1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG aus 6.000 EUR, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer). Aufgrund der Honorarabrede kann E jedoch von G nur einen Betrag von 500,00 EUR verlangen, da ihm selbst höhere Kosten nicht entstanden sind.
3. Gebührenvereinbarung nach § 34 RVG
Rz. 117
Bei einer Beratung sieht § 34 Abs. 1 RVG vor, dass der Anwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken soll. Kommt eine solche nicht zustande, richtet sich die Vergütung nach den Vorschriften des BGB und ist bei Verbrauchern auf maximal 190 EUR (Erstberatung) bzw. maximal 250 EUR (Beratung) begrenzt. Wie wirkt sich nun eine solche Gebührenvereinbarung auf die Erstattungspflicht des Gegners aus?
Rz. 118
Beispiel
Fahrer F lässt sich nach einem Verkehrsunfall von Anwalt A über seine möglichen Ersatzansprüche (Höhe: 6.000 EUR, insgesamt durchschnittliche Angelegenheit) beraten. Vereinbarungsgemäß zahlt er dafür eine pauschale Vergütung in Höhe von 300 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Die weitere Regulierung des Unfalls übernimmt F selbst.
Rz. 119
Bei einer vereinbarten Vergütung wird die Erstattungspflicht des Gegners auf die Höhe derjenigen (fiktiven) gesetzlichen Gebühren beschränkt, die der Anwalt ohne eine Vergütungsvereinbarung hätte abrechnen können, da Anwalt und Auftraggeber nicht durch eine interne Vereinbarung die Erstattungspflicht eines Dritten modifizieren können. Da es für die Beratung jedoch keine gesetzlichen Gebühren mehr gibt, fehlt der konkret zu berechnende Betrag als Vergleichsgröße.
Rz. 120
Zur Lösung dieses Problems bieten sich mehrere Möglichkeiten an:
(1) |
Die Erstattungspflicht des Gegners wird auf die Kappungsgrenze von 190 bis 250 EUR begrenzt. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber diese Grenzen nur bei Fehlen einer Vergütungsvereinbarung eingreifen lassen wollte und überdies auch nur bei Verbrauchern. Warum soll der Schädiger in den Genuss einer Verbraucherschutzregelung kommen, wenn er einem Gewerbetreibenden als Geschädigtem gegenübersteht? |
(2) |
Alternativ könnte man den Willen des Gesetzgebers in den Vordergrund rücken, der eine Gebührenverhandlung mit einvernehmlicher Festlegung wollte. Damit wäre stets die vereinbarte Gebühr zu ersetzen. Als Korrektiv bliebe dem Schädiger nur noch der Einwand aus § 254 B... |