Rz. 2

Vorrangiges Ziel jeder Auslegung ist es, den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln. Hierfür ist der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung maßgebend. Letztlich ist aus Sicht des Erblassers festzustellen, was dieser mit seiner Niederlegung sagen wollte.[4] Die maßgebliche Vorschrift ist hierfür zunächst § 133 BGB.[5]

 

Rz. 3

Aufgrund der Formbedürftigkeit der Verfügung von Todes wegen darf durch Auslegung aber kein anderer Wille des Erblassers ermittelt werden als der, der zumindest andeutungsweise im Testament enthalten ist. Es gilt hier die von der Rechtsprechung entwickelte "Andeutungstheorie".[6] Jede Auslegung ist dahingehend zu überprüfen, ob der ermittelte Wille auch hinreichend im Testament verankert ist bzw. Anhaltspunkte dafür bietet.[7] Dennoch sind nicht nur die einzelnen Worte und Redewendungen, die der Erblasser benutzt hat, maßgebend. So sind zur Erforschung des tatsächlichen Willens des Erblassers auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände, die allgemeine Lebenserfahrung und alle sonstigen Erkenntnismittel für die Auslegung heranzuziehen, sofern sie in der Verfügung von Todes wegen eine Verankerung finden. Das OLG Saarbrücken[8] führt hierzu aus:

Zitat

"Es sind alle zugänglichen Umstände vor und nach Errichtung der Verfügung, die im Zusammenhang mit den in ihr enthaltenen Erklärungen stehen, heranzuziehen; es sind das gesamte Verhalten der Vertragsschließenden sowie alle ihre Äußerungen und Handlungen zu berücksichtigen; der Gesamtinhalt der Erklärung einschließlich aller Nebenumstände ist als Ganzes zu würdigen."

 

Rz. 4

Nach Ansicht des BGH ist in erster Linie der tatsächliche Erblasserwille maßgebend, wenn er feststeht und formgerecht erklärt wurde.[9] Für die Feststellung des Erblasserwillens ist von dem Wortlaut der Verfügung von Todes wegen auszugehen. Soll bei der Auslegung vom Wortlaut abgewichen werden, so müssen hierfür besondere Umstände vorliegen, aus denen sich ergibt, dass der Erblasser mit dem Gesagten etwas anderes gemeint hat.[10]

 

Rz. 5

Ist der tatsächliche Wille des Erblassers trotz Auslegung nicht festzustellen, so ist in einem weiteren Schritt der mutmaßliche Wille des Erblassers zu ermitteln bzw. ist der Inhalt der Verfügung dahingehend auszulegen.[11]

[5] BGH LM § 2078 Nr. 3.
[6] BayObLGZ 1981, 79.
[7] BGHZ 80, 242.
[8] NJW-RR 1994, 844.
[10] BGHZ 80, 246.
[11] BGHZ 86, 41.

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