Rz. 65
Definition
Brand ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag (A 3.1 VHB 2022).
Die Definition entspricht vollständig derjenigen in der Feuer- und Gebäudeversicherung (§ 1 Nr. 2 AFB bzw. § 3 Nr. 1 VGB). Sie ist unvollkommen, da der zentrale Begriff "Feuer" nicht näher bestimmt ist. Nach allgemeiner Auffassung versteht man unter Feuer – dem gewöhnlichen Sprachgebrauch folgend – einen Verbrennungsvorgang mit Lichterscheinung, wobei die Lichterscheinung sowohl in einer offenen Flamme als auch einem bloßen Glühen oder Glimmen bestehen kann. Ob die Begriffsbestimmung auf den naturwissenschaftlich-technischen Sprachgebrauch erweitert werden muss, kann für die Hausratversicherung dahinstehen.
Rz. 66
Bestimmungsgemäßer Herd eines Feuers ist der Ort bzw. die Einrichtung, die dazu bestimmt ist, Feuer zu erzeugen, zu unterhalten oder einzuhegen. Dies sind zunächst umschlossene Feuerstätten aller Art wie Öfen, Herde und Kamine, aber auch sog. ungeschütztes Feuer; darunter versteht man die Streichholz- bzw. Feuerzeugflamme, Zigarettenglut, eine Kerzen- und eine Gasflamme.
Rz. 67
In der ersten Alternative muss das Feuer ohne bestimmungsgemäßen Herd entstanden sein, beispielsweise durch Blitzschlag, Explosion, Kurzschluss oder Selbstentzündung (z.B. überhitzte "Fritteuse"). Hierher gehören aber auch Fälle von Brandstiftung jeglicher Art. An einem bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist das Feuer nämlich nicht bereits dann, wenn der Herd objektiv als Feuerstätte zu dienen bestimmt ist. Sonst wären Schäden nicht versichert, die dadurch entstehen, dass eine dazu nicht berechtigte Person ohne Zutun und Wissen des Versicherungsnehmers oder eines Hausgenossen ein Feuer in einem Herd entzündet. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer, der A 3.1 VHB 2022 liest, sieht zwar ein, dass er keinen Versicherungsschutz genießt, wenn er unsachgemäß in einem Herd Feuer entfacht, würde aber nicht verstehen, dass dies auch gelten soll, wenn ein Unbefugter gegen seinen Willen das Feuer entfacht (§§ 305 ff. BGB, § 9 AGB-Gesetz). Deshalb ist ein Feuer dann in einem bestimmungsgemäßen Herd entstanden, wenn es durch eine berechtigte Person entzündet wurde, d.h. durch den Versicherungsnehmer, ein anderes Haushaltsmitglied oder einen sonstigen Berechtigten. Dagegen liegt ein versicherter Brandschaden vor, wenn Unbefugte versicherte Sachen in einem vom Versicherungsnehmer entfachten Feuer verbrennen.
Beispiel
Während der Abwesenheit des VN und seiner Hausgenossen dringen Dritte in das vorübergehend unbeaufsichtigte Haus ein und zerstören Originale von Picasso. Sie nehmen dazu die Gemälde aus den Rahmen und legen sie auf die Holzscheite, die im offenen Kamin auf Reisig vorbereitet liegen und zünden das Brennmaterial an.
Rz. 68
Rechtsprechungsbeispiele
Legt ein Versicherungsnehmer entflammbare Gegenstände auf einem – scheinbar ausgeschalteten – Saunaofen ab und verlässt dann die Sauna, ohne sich über eine verlässliche Abschaltung zu vergewissern, handelt er grob fahrlässig. Es ist allgemein bekannt, dass das Erhitzen von Fett in einem offenen Behältnis auf einem Gasherd ein Vorgang ist, der wegen der damit verbundenen hohen Brandgefahr besonderer Aufmerksamkeit bedarf. Bewahrt ein Versicherungsnehmer vermeintlich leere Feuerzeuge in einer nicht verschlossenen Schublade seines Arbeitszimmers auf, das seinem achtjährigen Sohn zugänglich ist, so muss er sich den Vorwurf grober Fahrlässigkeit gefallen lassen, wenn das Kind mit einem der Feuerzeuge einen Brand verursacht. Entzündet sich im Rahmen privater Reparaturarbeiten an einem Fahrzeug Benzin mit der Folge, dass es zu einem Brandschaden kommt, so ist der Privathaftpflichtversicherer des Schadenverursachers nicht zur Schadenregulierung verpflichtet.
Rz. 69
Alternativ besteht Versicherungsschutz, wenn ein Feuer seinen bestimmungsgemäßen Herd verlassen hat, d.h. die räumlichen Grenzen des Herdes überschreitet. Dies ist bereits dann der Fall, wenn Flammen über den Herd hinausschlagen, etwa dadurch, dass in der zentralen Ölfeuerungsanlage Risse auftreten oder in einem offenen Kamin aufgeschichtetes Brennmaterial nach Entzündung zusammenfällt und einzelne Holzstücke brennend aus dem Kamin fallen. Problematisch sind Schadenfälle bei offenen Feuerstellen und ungeschütztem Feuer. Typischerweise schlagen die Flammen bei einem plötzlichen Windstoß hoch oder Kerzenlicht flackert. Da dies normal ist und jeder damit rechnet, haben die Flammen ihren Herd in solchen Fällen noch nicht verlassen.
Rz. 70
Dritte Voraussetzung der Entschädigungspflicht ist, dass das Feuer sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag. Das ist dann der Fall, wenn seine Wärmeenergie ausreicht, um außerhalb des Herdes vorhandene Sachen zu entzünden. Typische, örtlich begrenzte Sengschäden werden deshalb nicht entschädigt, weil es an der Ausbreitungsfähigkeit des Feuers mangelt. So wird beispielweise die herabgefall...