Rz. 117
Definition
Sturm ist eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8.
Rz. 118
Die Windstärke wird nach der Beaufort-Skala bestimmt. Windstärke 8 ist danach ein stürmischer Wind, der Zweige von Bäumen bricht und das Gehen im Freien erheblich erschwert (Windgeschwindigkeit von mindestens 62 km/h, A 6.1.1 VHB 2022). Die Regelung beinhaltet eine echte Leistungsbegrenzung; erreicht der Wind nicht Stärke 8, besteht für durch ihn verursachte Schäden kein Versicherungsschutz. Die Rechtsprechung hat es deshalb als ungenügend angesehen, wenn lediglich Windstärke 7 +/- 1 feststellbar war. Allerdings kann nicht gefordert werden, dass der Versicherungsnehmer Windstärke 8 exakt für den genauen Schadenzeitpunkt nachweist, weil ein solcher Beweis kaum jemals zu führen wäre; es muss für einen schlüssigen Vortrag genügen, wenn der Versicherungsnehmer darlegt, dass die geforderte Windstärke zeitnah, und sei es auch nur in Böen bzw. mit Anlauf- und Zwischenphasen geringerer Windstärke, erreicht worden ist.
Rz. 119
Der Nachweis kann durch die Aufzeichnungen einer ortsnah zum Versicherungsort gelegenen meteorologischen Station geführt werden. Da dies oft nicht möglich ist und der Versicherungsschutz sonst entwertet wäre, lässt A 6.1.1 VHB 2022 den Ursachennachweis durch Hilfs- und Anscheinstatsachen zu. Sturm wird unterstellt, wenn der Versicherungsnehmer in der Umgebung des Versicherungsortes durch Wind verursachte Schäden an in einwandfreiem Zustand befindlichen Gebäuden (z.B. Abdecken eines Dachs, abgebrochene Antennenanlage) oder ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen (z.B. erhebliche Blechschäden an einem im Freien abgestellten Pkw durch abgerissene Äste, umgestürzter Baukran, umgerissene Verkehrsschilder) nachweist oder belegt, dass wegen des einwandfreien Gebäudezustandes der Schaden nur durch Sturm entstanden sein kann. Eine bedingungsgemäße unmittelbare Einwirkung eines Sturms liegt bereits dann vor, wenn der Versicherungsnehmer den Vollbeweis dafür erbringt, dass der Sturm für den eingetretenen Schaden mitursächlich gewesen ist; der Nachweis der Mitursächlichkeit ist jedoch nicht geführt, wenn der Sachverständige auf Nachfrage verschiedene mögliche Ursachen für den Schaden, darunter u.a. auch einen Sturm, als theoretische Möglichkeit benennt.
Rz. 120
Da nur wetterbedingte Luftbewegungen als Sturm definiert sind, unterfallen Schäden, die auf einem entsprechenden Luftdruck auf anderer Ursache beruhen (z.B. Staudruck eines mit hoher Geschwindigkeit vorbeifahrenden Zuges, eines Hubschrauberrotors, Zugwirkung in Gebäuden) nicht der Sturmversicherung.
Rz. 121
Im Gegensatz zu anderen versicherten Gefahren erstreckt sich der Versicherungsschutz für Sturmschäden nicht auf alle adäquat verursachte Schäden, sondern nur auf bestimmte, in A 6.3 VHB 2022 alternativ beschriebene Sturmfolgen.
Rz. 122
Der Schaden muss entweder durch unmittelbare Einwirkung des Sturms auf versicherte Sachen oder dadurch entstanden sein, dass der Sturm Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen wirft.
Beispiel
Kommt es bei einem Sturm durch das Aufschieben oder Aufstauen von auf einer Dachfläche vorhandenem Regenwasser zum Einsturz des Daches, so entsteht der Schaden nicht dadurch, dass der Sturm Gegenstände auf die versicherte Sache wirft.
Versichert sind nach A 6.3.1 und 4 VHB 2022 außerdem bestimmte Folgeschäden. Gemeint sind Folgesachschäden an versicherten Sachen aufgrund eines versicherten Sturmsachschadens (z.B. endgültige Zerstörung eines durch Sturmschaden bis dahin nur reparaturfähig beschädigten Möbelteils aufgrund Ungeschicklichkeit des Helfers bei den Aufräumarbeiten). Mitversichert sind Schäden durch die unmittelbare Einwirkung des Sturmes oder Hagels auf Gebäude, die mit dem versicherten Gebäude oder Gebäuden, in denen sich versicherte Sachen befinden, baulich verbunden sind.
Rz. 123
Unmittelbare Einwirkung des Sturms liegt vor, wenn der Sturm die Markise zerreißt oder eine Antennenanlage abknickt. Unmittelbarkeit bedeutet dabei, dass der Sturm die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens oder des Abhandenkommens ist. Ein schlechter Bauzustand eines Gebäudes schließt als Mitursache den Versicherungsschutz nur gem. §§ 23 ff. VVG (Gefahrerhöhung) oder gem. § 81 VVG (grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls) aus. Wenn sich das Schadenereignis weit weniger als eigentlicher Elementarschaden darstellt denn als Verwirklichung eines im Gebäude selbst angelegten Risikos, fehlt es an der Unmittelbarkeit. Ein Sturmschaden kann gleichwohl auch dann vorliegen, wenn erst menschliches Verhalten bewirkt, dass der Sturm einen Gegenstand auf die versicherte Sache wirft (der Versicherungsnehmer öffnet bei Sturm die Terrassentür, um eine gegen die Scheibe schlagende Liege zu entfernen; diese wird dadurch in die Wohnung geworfen und verursacht den Hausratschaden). An der Schadensentstehung mitwirkendes menschliches Verhalten, das der Sturmeinwirkung zeitlich vorausgeht, kann allein unt...