Rz. 68
Die Anfechtung der Annahme der Erbschaft gilt als Ausschlagung, die Anfechtung der Ausschlagung der Erbschaft gilt als Annahme der Erbschaft (§ 1957 Abs. 1 BGB). Auch die Versäumung der Ausschlagungsfrist kann wie eine Annahme angefochten werden (§ 1956 BGB). Da die Anfechtung der Annahme oder der Fristversäumung als Ausschlagung gilt, sind die Regeln über die Ausschlagung sinngemäß anwendbar.
Rz. 69
Die Anfechtungsfrist (§ 1954 BGB) beginnt im Allgemeinen mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt (§ 1954 Abs. 2 BGB). Wird der Minderjährige von seinen Eltern vertreten, so kommt es entsprechend § 166 Abs. 1 BGB auf den Willensmangel eines jeden Elternteils an. Ein Willensmangel, dem nur ein Elternteil unterliegt, berechtigt zur Anfechtung.
Die Anfechtungserklärung müssen gemäß § 1629 BGB beide Elternteile abgeben. Das muss nicht in derselben Urkunde, sondern kann auch in zwei Erklärungen geschehen. Eine bloße Zustimmung eines Elternteils zur Erklärung des anderen soll nicht genügen.
Rz. 70
Die Anfechtung der Ausschlagung bei beschränkter Geschäftsfähigkeit des Erben: Da durch die Anfechtungserklärung ein Ausschlagungsrecht nicht mehr verloren gehen kann, kann für den Minderjährigen auch kein rechtlicher Nachteil durch die Erklärung der Anfechtung eintreten, so dass er von daher als Geschäftsbeschränkter selbstständig handeln könnte (vgl. §§ 107, 111 BGB). Nach anderer Ansicht führt die Anfechtung, weil sie als Annahme gilt, zum Verlust des Ausschlagungsrechts und soll daher rechtlich nachteilig sein. Dem ist nicht zu folgen, weil es um die Ausschlagung geht und nicht um die Annahme und weil das Ausschlagungsrecht nicht mehr verloren gehen kann. Ist aber der Erwerb des Nachlasses, als Konsequenz der erfolgreichen Anfechtung, rechtlich nachteilig, weil z.B. auch die Schulden auf den Erben übergehen? Diese nur mittelbar durch den erbrechtlichen Erwerb ausgelösten Rechtsfolgen sind nicht für die Frage des rechtlichen Vorteils oder Nachteils im Sinne des § 107 BGB relevant, so dass der beschränkt Geschäftsfähige die Anfechtung selbstständig vornehmen kann. Die Anfechtung der Ausschlagung ist dem Nachlassgericht gegenüber zu erklären (§ 1955 BGB).
Rz. 71
Die Anfechtung der Annahme der Erbschaft gilt als Ausschlagung (§ 1957 Abs. 1 BGB), sie zieht also den Verlust der Erbschaft nach sich. Der geschäftsbeschränkte Minderjährige kann deshalb nicht selbstständig anfechten. Pfleger und Vormund bedürfen zur Ausschlagung einer Erbschaft der Genehmigung des Familiengerichts (§ 1822 Abs. 1 Nr. 2 BGB) und deshalb auch zur Anfechtung der Annahme der Erbschaft. Gemäß § 1643 Abs. 2 BGB bedürfen auch Elternunter Umständen die Genehmigung des Familiengerichts (siehe Rdn 50).
Die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfristgemäß § 1956 BGB (und damit der Annahme der Erbschaft) kann angefochten werden. Sie gilt gemäß § 1957 BGB als Ausschlagung der Erbschaft und bedarf daher ebenfalls der familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Abs. 1 Nr. 2 BGB (siehe auch Rdn 70).
Wurde die familiengerichtliche Genehmigung zur Ausschlagung erteilt (§ 1643 BGB), so soll sich diese Genehmigung auch auf die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist erstrecken (siehe Rdn 71).