Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 418
Die mit der Überleitung eines Erbteils verbundenen Einzelprobleme werden bisher noch nicht näher beleuchtet. Zu einem Zufluss von bedarfsdeckendem Einkommen bzw. Vermögen wird das Ganze nämlich nicht durch die Überleitung des Erbteils.
Überleitbar ist nach § 93 SGB XII ein Anspruch. Das Miterbenrecht ist ein "Rechtsinbegriff" bzw. ein sonstiges Vermögensrecht im Sinne von § 857 ZPO und damit kein unmittelbarer Geldanspruch. Die Literatur weist darauf hin, dass ein Erbteil gepfändet werden kann (§§ 859 Abs. 2, 844, 857 ZPO), lässt aber im Kontext der sozialrechtlichen Überleitung ausdrücklich offen, ob es übergeleitet werden kann oder nimmt an, "dass eine Erbauseinandersetzung nicht überleitbar sei", während andere dies durchaus bejahen.
Rz. 419
Die Besonderheit des Erbteils besteht darin, darin dass ein Rechtsträgerwechsel nicht automatisch zur "Verflüssigung" des Anspruchs, bzw. zu abgrenzbaren Zahlungen an den Gläubiger führt. Zunächst muss die Erbengemeinschaft auseinandergesetzt werden. Dazu kann jeder Miterbe nach § 2042 BGB jederzeit die Auseinandersetzung verlangen. Das gilt nicht, soweit sich aus §§ 2043 bis 2045 BGB etwas anderes ergibt.
Hinweis
Der Erblasser kann nach §§ 2044, 751 BGB die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft untersagt oder erschwert haben. Das hält allerdings keine Nachlassgläubiger vom Nachlass fern (§ 751 S. 2 BGB). Durch die zusätzliche Anordnung der Testamentsvollstreckung kann der Erblasser den Miterben die Befugnis zur Verfügung über die der Vollstreckung unterliegenden Bestandteile seines Nachlasses entziehen und so gegen eine Verfügung der Miterben sichern. Hierüber können sich die Miterben nicht ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers hinwegsetzen. "Ein Anspruch eines Miterben auf ein solches Handeln des Testamentsvollstreckers kommt nicht in Betracht. Für die Gläubiger eines Miterben kann nichts anderes gelten."
Rz. 420
Der Anspruch aus § 2042 Abs. 1 BGB ist auf Mitwirkung der Miterben bei der Erbauseinandersetzung gerichtet. Dieser Anspruch ist mit dem Erbteil verbunden. Der Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gibt dem Miterben nur einen Anspruch auf Zustimmung zum Auseinandersetzungsplan. Erst der Anspruch aus Verteilung des Überschusses nach § 2047 BGB führt schließlich zu einem bedarfsdeckenden Zufluss.
Über seinen Anspruch auf das anteilige Auseinandersetzungsguthaben kann der Miterbe bis zur Auseinandersetzung nicht mit dinglicher Wirkung verfügen. Ein solcher Anspruch kann neben dem Miterbenanteil deshalb auch nicht als selbstständiger Anspruch gepfändet werden. Geschieht dies, so wird der Pfändungsantrag auf einen Antrag auf Pfändung des Erbteils umgedeutet. Es stellt sich daher die Frage, welche Grenzen § 93 SGB XII der Überleitung eines Erbteils steckt. Grundsätzlich ist nach § 93 SGB XII jede Art von Anspruch überleitungsfähig. Er ist nicht auf reine Geldansprüche begrenzt. Ob ein Anspruch übertragbar, verpfändbar oder pfändbar ist, spielt nach § 93 Abs. 1 S. 4 SGB XII keine Rolle. Damit ist auch ein Erbteil und der mit ihm verbundene Auseinandersetzungsanspruch überleitbar. Die mit der Überleitung eines Erbteils bzw. der damit verbunden Ansprüche verbundenen Probleme sind aber nicht ausdiskutiert. Der Rechtsträgerwechsel in einen Anspruch durch § 93 SGB XII führt nicht zum Verlust jeglichen Anspruchs. Jede Überleitung ist "bis zur Höhe der Aufwendungen" des Sozialhilfeträgers begrenzt. Diese Probleme gilt es zu lösen.
Rz. 421
Nach Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft ohne vorherige Überleitung des Erbteils ist der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben ein Anspruch des Hilfebedürftigen und von diesem ohne weiteres realisierbar. Eine Überleitung des Auseinandersetzungsanspruchs geht ins Leere. Der Anspruch des Hilfebedürftigen gegen die Hinterlegungsstelle auf Herausgabe eines hinterlegten Auseinandersetzungsguthabens kommt als eigener überleitungsfähiger Anspruch nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg nicht in Betracht, weil die Hinterlegungsstelle nicht Dritter i.S.d. § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII ist. Der durch die Hinterlegung begründete öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch gegen die Hinterlegungsstelle soll nach dieser Ansicht – dem Charakter der Hinterlegung als Erfüllungssurrogat entsprechend – dem Hilfebedürftigen zuzuordnen und von diesem im Rahmen seiner Selbsthilfeverpflichtung geltend zu machen sein. Dies wird nach a.A. verneint.
Einzelne Ansprüche aus einer Erbschaft, die der Hilfesuchende nicht selbst realisieren kann, sind davon abzugrenzen und in der Regel überleitungsfähig.