Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 512
Die wirksame Ausschlagung setzt Geschäftsfähigkeit voraus:
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Der geschäftsfähige nicht unter Betreuung stehende Behinderte kann und muss selbst ausschlagen. |
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Der geschäftsunfähige Betreute kann nicht wirksam selbst ausschlagen. Das muss nach § 1902 BGB der für ihn bestellte Betreuer tun. |
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Der geschäftsfähige, aber unter Betreuung stehende Behinderte kann selbst ausschlagen; der Betreuer ist der gesetzliche Vertreter des Betreuten. Die Betreuung macht aber nicht geschäftsunfähig. Allenfalls kann ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB angeordnet sein. Ist kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, können Betreuer und Betreute gleichermaßen ausschlagen. |
Rz. 513
Soweit eine Betreuung (§§ 1896 ff. BGB) beim Erbfall noch nicht eingerichtet, aber notwendig ist, muss zunächst beim Betreuungsgericht die Einrichtung einer Betreuung beantragt werden. Bis zur Bestimmung eines Betreuers ist die Verjährung gehemmt. Eine für oder gegen den Geschäftsunfähigen laufende Verjährung tritt nach § 210 BGB nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Mangel der Vertretung behoben wird.
Die Einrichtung einer Betreuung ist grundsätzlich subsidiär (§ 1896 Abs. 2 BGB) und darf nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Bestellung für den allgemeinen Aufgabenkreis Personensorge reicht nach einer Ansicht für eine Ausschlagung nicht aus. Nach anderer Ansicht reicht dies aus, weil die Entscheidung eine Erbschaft zu behalten, in erster Linie vermögensrechtliche Aspekte betrifft.
Rz. 514
Ein Elternteil, der Miterbe ist, kommt als Betreuer nicht in Betracht. Für den Betreuer gilt die Verweisung auf die Normen der Vormundschaft nach § 1908i BGB. Danach ist er von der Vertretung ausgeschlossen, wenn das Interesse des Betreuten zu dem Interesse des Betreuers in erheblichem Gegensatz besteht.
Rz. 515
Ist der Betreuer Nacherbe, gleichzeitig aber Betreuer des Vorerben, hat das Gericht aufgrund der Interessenkollision einen Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB zu bestellen, denn gem. §§ 1908i, 1796 Abs. 2 BGB muss es dem Betreuer, der gleichzeitig Nacherbe sein soll, die ihm erteilte Vertretungsmacht entziehen.
Der Betreuer hat nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 1822 Ziffer 2 BGB zu prüfen, ob der nicht geschäftsfähige Betreute ausschlagen kann und soll. Bei einem geschäftsunfähigen volljährigen Erben ist nach allgemeiner Ansicht allein die Kenntnis des Betreuers als gesetzlichen Vertreters entscheidend für den Beginn der Ausschlagungsfrist.
Rz. 516
Der Betreuer kann über eine Ausschlagung nicht allein entscheiden. Die Ausschlagungserklärung ist nach § 1831 Abs. 1 BGB nur in Verbindung mit der betreuungsgerichtlichen Genehmigung (§ 1822 Nr. 2 BGB) wirksam. Eine Ausschlagung, die der Betreuer ohne die erforderliche Genehmigung des Betreuungsgerichtes vornimmt, ist unwirksam. Das bloße Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist des § 1944 Abs. 1 BGB durch den Betreuer bedarf keiner gerichtlichen Genehmigung analog § 1908i i.V.m. § 1822 Nr. 2 BGB.
Rz. 517
Für die Frage der Genehmigungsfähigkeit hat nach Maßgabe von § 1901 Abs. 2 BGB eine Abwägung aller Vor- und Nachteile stattzufinden. Öffentliche Belange sollen hierbei nicht zu berücksichtigen sein. Die Ausschlagung einer werthaltigen Erbschaft durch den Betreuer soll solange genehmigungsfähig sein, wie nicht gegen übergeordnete Wertungen verstoßen wird. Das LG Neuruppin hat eine Ausschlagung einer Eingliederungshilfebezieherin unter Bezug auf die Rechtsprechung des BGH zum Pflichtteilsverzicht genehmigt, das LG Bochum hat sie theoretisch bei Angabe des Nachlasswertes und entsprechender vertraglich abgesicherter Gegenleistung für möglich gehalten. Das OLG Köln hat für eine minderjähriges Kind die familiengerichtliche Genehmigung der Ausschlagung als grundsätzlich genehmigungsfähig angesehen: "Eine Erbausschlagung eines Erben, der im staatlichen Leistungsbezug steht, ist zwar regelmäßig nicht genehmigungsfähig, da insoweit dem Staat die Möglichkeit eines Rückgriffs bzw. eine Einschränkung seiner Leistungen entzogen wird. Anderes gilt nur, wenn durch die Erbschaft allenfalls ein Wertzufluss unterhalb des Schonvermögens § 12 Abs. 2 Nr. 1, 1 a SGB II zu erwarten ist."