Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
I. Schutzschriftenregister
Rz. 35
Die erste aktive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs kam zum 1.1.2017 mit der Einführung eines bundesweiten zentralen Schutzschriftenregisters, das unter https://www.zssr.justiz.de/ aufgerufen werden kann. Schutzschriften als vorbeugende Schriftsätze in erwartenden einstweiligen Verfügungsverfahren können über die oben genannte Webseite durch Ausfüllen eines Formulars, aber auch via beA, eingereicht werden. Eine solche Schutzschrift gilt dann als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder (§ 945a Abs. 2 S. 1 ZPO) und allen Arbeitsgerichten der Länder (§§ 62 Abs. 2 S. 3, 85 Abs. 2 S. 3 ArbGG) als eingereicht. Detailliertere Ausführungen sind in diesem Werk in Kapitel 18 aufgenommen.
Rz. 36
Hinweis
Mit der Einreichung einer Schutzschrift zum ZSSR entsteht eine Gerichtsgebühr i.H.v. 83 EUR nach § 1 Nr. 5a Justizverwaltungskostengesetz (JVKostG), Nr. 1160 KV. Hier sollten daher nicht testweise Schutzschriften eingereicht werden, um das Verfahren auszuprobieren. Wird der Testeinreicher ermittelt, so muss er mit einer Gerichtskostenrechnung rechnen. Teilt man eine einheitliche Schutzschrift in mehrere Einzeldokumente, fällt die Gerichtsgebühr mehrfach an, wenn diese Einzeldokumente jeweils gesondert in einem abgeschlossenen Datenverarbeitungsvorgang zur Einstellung übermittelt wurden.
II. Elektronische Empfangsbekenntnisse
Rz. 37
§ 173 Abs. 3 sowie § 195 Abs. 2 S. 3 ZPO bestimmen, dass die Rücksendung von Empfangsbekenntnissen, die als strukturierter Datensatz bzw. als elektronisches Dokument übermittelt wurden (sog. eEBs), zwingend elektronisch in der hier bestimmten Form zurückzusenden sind. Zur "Zustellung gegen Empfangsbekenntnis" und diese zwingende Rücksendeform siehe ausführlich im Gesamtkapitel zu Zustellungen in § 15 ab Rdn 33 u. 204 ff. in diesem Werk.
III. Sonderfall – Verfassungsgerichtsbarkeit
Rz. 38
Das Bundesverfassungsgericht war bis zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Werks am elektronischen Rechtsverkehr noch nicht angeschlossen. Ob und wann die elektronische Kommunikation in das BVerfGG aufgenommen wird, kann zurzeit nicht gesagt werden. Wie sich der Fachpresse entnehmen lässt, soll sich hier aber alsbald etwas tun (https://www.lto.de/recht/justiz/j/bverfg-elektronischer-rechtsverkehr-bea-fax-email-bmj-dav-till-steffen-digitalisierung-justiz/ – Abruf: 31.10.2022).
Rz. 39
Besondere Beachtung verdienen auch die Landesverfassungsgerichte. Hier ist besondere Vorsicht geboten, da die Landesverfassungsgerichte nicht über eine einheitliche Informationsseite verfügen, sondern länderabhängig geprüft werden muss, ob es ein LVerfGG/VerfGHG oder eine entsprechende Landesverordnung gibt. Manche Bundesländer haben erst spät Landesverfassungsgerichte errichtet, so z.B. Baden-Württemberg zum 1.4.2013. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Verfassungsbeschwerden an das Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe gerichtet, wenn ein Bürger sich durch Landesrecht oder eine Verordnung der Landesregierung in seinen Rechten verletzt sah. Zum Zeitpunkt der Drucklegung waren z.B. Bayern, Baden-Württemberg, Hamburg u. Sachsen-Anhalt beispielsweise noch nicht am elektronischen Rechtsverkehr angeschlossen.
Rz. 40
Vorsicht: Der Verfassungsgerichtshof NRW hat jedoch bereits eine elektronische Einreichpflicht gem. § 18a VerfGHG i.V.m. § 55d VwGO geregelt!
Praxistipp
Vor Einreichung eines Schriftsatzes beim BVerfG oder einem LVerfG/VGH sollte in jedem Fall geprüft werden, ob dort der elektronische Rechtsverkehr überhaupt und ggf. sogar schon verpflichtend eingeführt ist.
IV. Schriftsätze, Erklärungen, Anträge u.a.
1. Gesetzliche Grundlage und Rechtsprechung – § 130d ZPO
Rz. 41
Zum 1.1.2022 ist § 130d ZPO in Kraft treten (Hervorhebungen durch die Verfasser):
Zitat
§ 130d ZPO Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden
"Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen."
Rz. 42
Korrespond...