Isabel Hexel, Martina Hidalgo
Rz. 59
War der Arbeitnehmer an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert, kann er unter engen Voraussetzungen in formeller sowie in materieller Hinsicht und innerhalb bestimmter Fristen beantragen, dass seine verspätete Kündigungsschutzklage vom Arbeitsgericht doch noch zur Entscheidung zugelassen wird. § 5 KSchG gilt für alle Fälle, in denen die Klagefrist des § 4 KSchG versäumt worden ist. Über den Antrag und die Kündigungsschutzklage entscheidet das Arbeitsgericht gemeinsam durch Urteil, ggf. kann ein Zwischenurteil ergehen, § 5 Abs. 4 Sätze 2 und 3 KSchG. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf nachträgliche Zulassung ist in jedem Fall die Berufung gegeben. Aufgrund der Neuregelung des § 5 Abs. 4 KSchG ist auch der Instanzenzug zum BAG eröffnet.
Rz. 60
Die nachträgliche Zulassung erfordert stets einen Antrag des Arbeitnehmers. Zwar braucht der Antrag nicht ausdrücklich gestellt werden; es muss aber erkennbar sein, dass die Zulassung einer verspäteten Klage begehrt wird. Allein der Umstand, dass die Klage verspätet erhoben wurde, reicht als Zulassungsantrag nicht aus. Der Antrag kann vorsorglich für den Fall gestellt werden, dass die Klagefrist versäumt wurde.
Rz. 61
Der Antrag ist fristgebunden. Er muss innerhalb von zwei Wochen nach Behebung des Hindernisses, spätestens aber binnen sechs Monaten vom Ende der versäumten Frist an gestellt werden, § 5 Abs. 3 KSchG. Bei Versäumung dieser Antragsfrist gibt es keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Deshalb ist hier unbedingte Eile und Sorgfalt geboten. Die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen sowie die Mittel der Glaubhaftmachung derselben müssen in der Zwei-Wochen-Frist angegeben werden.
Rz. 62
Die Zwei-Wochen-Frist beginnt mit der Behebung des Hindernisses für die rechtzeitige Klageerhebung zu laufen. Das ist spätestens dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer erkennt, dass die Klagefrist abgelaufen ist. Die Frist beginnt bereits vorher, wenn der Arbeitnehmer die Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses bei Aufbietung der zumutbaren Sorgfalt hätte erlangen können. Denn von diesem Moment an ist die fortbestehende Unkenntnis nicht mehr unverschuldet.
Hat der Arbeitnehmer einen Prozessbevollmächtigten, ist dessen Kenntnis bzw. Kennenmüssen maßgebend. Kenntnis und verschuldete Unkenntnis des Prozessbevollmächtigten sind dem Arbeitnehmer zuzurechnen. Das gilt unabhängig davon, ob es sich bei dem Prozessbevollmächtigten um einen Rechtsanwalt oder einen Gewerkschaftssekretär handelt. So beginnt die Antragsfrist zu laufen, wenn ein Anwalt bei einer Wiedervorlage erkennen kann, dass nach mehr als zwei Monaten noch keine Reaktion des Gerichts zu verzeichnen ist. Wegen der in § 61a ArbGG angeordneten besonderen Prozessförderung in Kündigungsverfahren muss er damit rechnen, dass die Klageschrift nicht eingegangen ist. Es gibt aber keine generelle Pflicht zur Erkundigung nach dem Eingang eines Schriftsatzes beim Gericht. Ist die Postsendung ausreichend adressiert und frankiert, darf der Anwalt grundsätzlich auf eine ordnungsgemäße Briefbeförderung vertrauen.
Die Fristberechnung erfolgt nach den allgemeinen Regeln, §§ 187 ff. BGB. Danach wird der Tag, an dem das Hindernis behoben ist, nicht mitgerechnet.
Rz. 63
Der Antrag muss die die nachträgliche Zulassung begründenden Tatsachen und die Mittel der Glaubhaftmachung enthalten. Pauschaler Vortrag reicht nicht. Das Gericht muss erkennen können, aus welchen Gründen der Arbeitnehmer an der rechtzeitigen Klageerhebung gehindert war und weshalb ihn an der verspäteten Klageerhebung kein Verschulden trifft. Zu beachten ist, dass dem Arbeitnehmer das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen ist Im Antrag ist insbesondere darzulegen, wann der Arbeitnehmer von der Verspätung erfahren hat; anderenfalls ist der Antrag unzulässig. Macht der Arbeitnehmer z.B. eine urlaubsbedingte Abwesenheit geltend, muss er vortragen, in welchem Zeitraum er sich im Urlaub befand, wann er zurückkehrte und wann er das Kündigungsschreiben vorgefunden hat.
Rz. 64
Mittel der Glaubhaftmachung sind gem. § 294 ZPO alle Beweismittel sowie zusätzlich die eidesstattliche Versicherung. In der Praxis kommen insbesondere die eidesstattliche Versicherung, Zeugen, Urkunden, die anwaltliche Versicherung und amtliche Auskünfte in Betracht. Die Mittel der Glaubhaftmachung müssen innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nur bezeichnet werden; die Glaubhaftmachung selbst kann nachgeholt werden. Glaubhaft gemacht ist eine Behauptung, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft.
Rz. 65
Der Antrag ist beim zuständigen Arbeitsgericht zu stellen. Ein bei einem örtlich unzuständigen Arbeitsgericht eingereichter Antrag wahrt die Antragsfrist, wenn er an das zuständige Arbeitsgericht verwiesen und demnächst zugestellt wird. Gleiches gilt, wenn der Antrag bei einem Gericht eines anderen Rechtswegs gestellt und die Sache gem. § 48 ArbGG, §§ 17 ff. GVG an das Arbeitsgericht verwiesen wird.