Chr. Hendrik Scholz, Dr. Tina Witten
Rz. 4
Seit der Änderung des Kündigungsschutzgesetzes durch das "Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt" vom 24.12.2003 müssen sämtliche Kündigungserklärungen, mit Ausnahme der mündlichen Kündigung, innerhalb der Frist des § 4 KSchG mit der Klage angegriffen werden. Das bedeutet zunächst, dass sowohl gegen die Beendigungskündigung als auch gegen die Änderungskündigung innerhalb von drei Wochen geklagt werden muss, vgl. § 4 S. 2 KSchG. Für die Klagefrist ist nicht entscheidend, ob die Kündigung als ordentliche oder als außerordentliche erklärt worden ist. Die Drei-Wochen-Frist muss unabhängig davon eingehalten werden, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des allgemeinen Kündigungsschutzes nach dem KSchG (Wartezeit, Betriebsgröße) erfüllt sind oder nicht. Der Arbeitnehmer kann sich in den Fällen zwar nicht auf die mangelnde soziale Rechtfertigung der Kündigung berufen; um sonstige Unwirksamkeitsgründe (z.B. § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG, Verstoß gegen § 242 BGB usw.) geltend machen zu können, muss er aber die Drei-Wochen-Frist wahren.
Auch nach Ablauf der Frist des § 4 KSchG kann sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der Kündigung berufen, wenn die verlängerte Anrufungsfrist des § 6 KSchG eingreift. Nach § 6 S. 1 KSchG kann sich der Arbeitnehmer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz zur Begründung der Unwirksamkeit der Kündigung auch auf solche Gründe berufen, die er innerhalb der Frist des § 4 KSchG nicht geltend gemacht hat, sofern er jedenfalls innerhalb dieser Frist Kündigungsschutzklage erhoben hat. Wahrt er aber diese Präklusionsfrist nicht, ist er in den weiteren Rechtszügen mit dieser Rüge ausgeschlossen. Der bloße Hinweis des Arbeitsgerichts auf den Regelungsgehalt des § 6 S. 1 KSchG reicht zur Wahrung der Hinweispflicht aus § 6 S. 2 KSchG aus; weitergehende Hinweispflichten können sich aber aus § 139 ZPO sowie dem Grundsatz "iura novit curia" ergeben.
Rz. 5
Innerhalb der Klagefrist muss jeder Unwirksamkeitsgrund geltend gemacht werden, nicht nur die fehlende soziale Rechtfertigung i.S.d. § 1 Abs. 1 KSchG. Insbesondere ist die nicht ordnungsgemäße oder völlig unterbliebene Anhörung des Betriebsrats oder Personalrats (§ 102 Abs. 1 S. 1 BetrVG, §§ 79 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 4, 108 Abs. 2 BPersVG) zu rügen. Will der Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der Kündigung auf einen von ihm behaupteten Betriebsübergang stützen (§ 613a BGB), muss er dies innerhalb der Frist des § 4 KSchG tun. Dasselbe gilt, wenn sich der Arbeitnehmer darauf berufen will, die Kündigung sei sittenwidrig (§ 138 BGB), treuwidrig (§ 242 BGB) oder verletze das Maßregelungsverbot (§ 612a BGB). Der Verstoß gegen das Verbot der ordentlichen Kündigung von Betriebs- und Personalratsmitgliedern sowie der weiteren besonders geschützten Mandatsträger ist gleichfalls innerhalb der Drei-Wochen-Frist klageweise geltend zu machen. Auch für die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz Schwangerer, Mütter vor und nach der Geburt (§ 17 MuSchG), Arbeitnehmer in der Elternzeit (§ 18 BEEG) und schwerbehinderter Menschen (§ 168 SGB IX) gilt die Klagefrist. Innerhalb der Drei-Wochen-Frist sind auch die Geschäftsunfähigkeit (§§ 104 f. BGB) und Vertretungsmängel (§ 180 BGB) geltend zu machen.
Innerhalb der Drei-Wochen-Frist muss geltend gemacht werden, dass die Kündigung mangels Vorlage einer Vollmacht rechtzeitig zurückgewiesen worden ist (§ 174 BGB), sofern der Vertreterwille deutlich geworden ist.
Kein Unwirksamkeitsgrund i.S.d. § 4 S. 1 KSchG ist dagegen die fehlende Berechtigung zur Kündigung, wenn ein Vertreter ohne Vertretungsmacht gekündigt hat. Hier geht es um die Zurechnung einer Willenserklärung. Bei einer (formwirksam) ohne Vollmacht vom vollmachtlosen Vertreter oder von einem Nichtberechtigten erklärten Kündigung fehlt es an einer Kündigung des Arbeitgebers. Eine ohne Vollmacht des Arbeitgebers ausgesprochene Kündigung ist diesem erst bei (nachträglich) erteilter Genehmigung zurechenbar. Demnach kann die dreiwöchige Klagefrist für die Erhebung der dann notwendigen Kündigungsschutzklage hier frühestens mit Zugang der Genehmigung zu laufen beginnen. Genehmigt der Arbeitgeber die Kündigung nicht, ist die Kündigungsschutzklage mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig, so dass die Rechtsfolge des § 7 KSchG nicht droht.
Ob der Arbeitnehmer fristgerecht Kündigungsschutzklage erheben muss, wenn er einwenden will, der Arbeitgeber habe die maßgebliche Kündigungsfrist nicht eingehalten, hängt entscheidend von der Auslegung der Kündigungserklärung ab. Die Einhaltung der einschlägigen Kündigungsfrist muss nicht innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist eingeklagt werden, wenn sich die mit zu kurzer Frist ausgesprochene Kündigung als solche mit der rechtlich zutreffenden Frist auslegen lässt. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Arbeitgeber den angegebenen Kündigungstermin mit einem Zusatz (z.B. fristgemäß) verbindet, der erkennen lässt, dass er mit der objektiv zutreffenden Frist kündigen will. Die unzutreff...