Rz. 202

Trotz eines Forderungsüberganges auf den SHT verbleibt dem Geschädigten die Ermächtigung, vom Schädiger die Ersatzleistung einzufordern (Nachrang der Sozialhilfe). Ein rechtskräftiges, vom Geschädigten erstrittenes Feststellungsurteil wirkt ebenso wie ein titelersetzendes Anerkenntnis zugunsten – aber auch zulasten – des SHT.[265]

 

Rz. 203

Berechtigter ist nicht nur der Rechtsinhaber (z.B. Zessionar), sondern auch der wirksam zur Durchsetzung einer Forderung Ermächtigte, der den Anspruch in gewillkürter Prozessstandschaft geltend macht.[266]

 

Rz. 204

Wird ein abgetretener[267] Anspruch verfolgt oder soll im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft die einem anderen zustehende Forderung eingeklagt werden, sind, damit eine Hemmung erfolgen kann, Abtretung und Prozessstandschaft offen zu legen.[268] Eine gewillkürte Prozessstandschaft ist zulässig, wenn der Prozessführende vom Rechtsinhaber zur Prozessführung im eigenen Namen ermächtigt worden ist und er ein eigenes schutzwürdiges Interesse an ihr hat. Schutzwürdig ist ein Interesse des Klägers nur, wenn der Beklagte durch die gewählte Art der Prozessführung nicht unbillig benachteiligt wird. Darüber hinaus muss sich der Prozessführende im Rechtsstreit grundsätzlich auf die ihm erteilte Ermächtigung berufen und zum Ausdruck bringen, wessen Recht er geltend macht.[269] Wer ein Recht einklagt, das nicht ihm selbst zusteht (Prozessstandschaft), muss seine Befugnis zur Führung des Prozesses dartun und beweisen.[270] Geht er im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft vor, hat er zunächst darzulegen und zu beweisen, dass er vom Anspruchsinhaber entsprechend ermächtigt wurde. Zusätzlich bedarf es eines eigenen schutzwürdigen Interesses des Prozessstandschafters an der klagweisen Geltendmachung des fremden Rechts in eigenem Namen.[271] Ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Prozessführung ist gegeben, wenn die Entscheidung Einfluss auf die eigene Rechtslage des Prozessführungsbefugten hat. Es kann auch durch ein wirtschaftliches Interesse begründet werden.[272]

 

Rz. 205

Geht nach § 119 SGB X der Anspruch auf Zahlung der Beiträge auf den RVT über, verbleibt dem Geschädigten keine Einzugsermächtigung. Er kann weder aus eigenem Recht noch in gewillkürter Prozessstandschaft des RVT gegen Schädiger oder Haftpflichtversicherung klagen (§ 2 Rdn 858).[273]

 

Rz. 206

Der unmittelbar Verletzte kann die Krankenkasse (als Leistungsträger nach dem AAG, nicht als SVT) ermächtigen, im Wege der Prozessstandschaft die Ersatzpflicht des Schädigers für den Verdienstausfallschaden insoweit feststellen zu lassen, als die Krankenkasse wegen ihrer Erstattungspflicht nach § 1 AAG (§ 10 LFZG a.F.) ein rechtliches Interesse hieran hat.[274]

 

Rz. 207

Für den unmittelbar Geschädigten besteht eine Einziehungsermächtigung, aufgrund derer er befugt ist, die Forderungen für den SHT geltend zu machen (und in Prozessstandschaft für den SHT die Forderung einklagen darf), um im Umfang des Anspruchs seine eigene Hilfebedürftigkeit zu vermeiden; denn nach dem Nachrangprinzip (§ 2 SGB XII, § 2 BSHG a.F.) erhält keine Sozialhilfe, wer sich selbst helfen kann.[275] Durch die direkte Inanspruchnahme des Schädigers soll der Weg der dem Geschädigten zustehenden Schadensersatzleistungen verkürzt und sollen die öffentlichen Kassen entlastet werden. Ohne die Einziehungsermächtigung müssten andernfalls zunächst vom Sozialhilfeträger die mit den Schadensersatzforderungen kongruenten Zahlungen übernommen werden, die dann später durch den Regress des Sozialhilfeträgers beim Ersatzpflichtigen wieder ausgeglichen würden.

 

Rz. 208

Der Träger der Sozialhilfe (SHT) ist nicht personen-identisch mit dem Träger der Eingliederungshilfe bzw. Träger nach dem AsylbLG. Die Rechtsprechung zur Einziehungsermächtigung bezieht sich ausschließlich auf den Forderungsübergang auf einen Träger der Sozialhilfe, für dessen Leistungen der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) gilt,[276] nicht auf Situationen, in denen der Träger der Eingliederungshilfe (§ 2 Rdn 207) oder Träger nach dem AsylbLG eintrittspflichtig sind (Rdn 58 ff.; siehe auch § 2 Rdn 63, 1252 ff., 1298). Zur Verjährung siehe § 5 Rdn 412, 508.

[265] BGH v. 5.3.2002 – VI ZR 442/00 – BGHZ 150, 94 = EWiR 2002, 745 (nur Ls.) (Anm. Plagemann) = HVBG-Info 2002, 1949 = NJW 2002, 1877 = NVersZ 2002, 332 = NZV 2002, 266 = r+s 2002, 241 = SP 2002, 236 = VersR 2002, 869 = VRS 102, 447 = ZIP 2002, 1462 = zfs 2002, 337 (Vorinstanz OLG Hamm v. 16.10.2000 – 13 U 89/00 – r+s 2002, 156). Siehe auch BGH v. 24.9.1996 – VI ZR 315/95 – DAR 1997, 24 = MDR 1997, 37 = NJW 1996, 3418 = NZV 1997, 36 = r+s 1996, 488 = SP 1996, 410 = VersR 1996, 1548; Jahnke, Der Verdienstausfall im Schadenersatzrecht, 4. Aufl. 2015, § 16 Rn 18.
[266] BGH v. 16.9.1999 – VII ZR 385/98 – BauR 1999, 1489 = DB 2000, 321 = MDR 1999, 1437 = NJW 1999, 3707 = NZBau 2000, 24 = VersR 2000, 195 = WM 2000, 77; BGH v. 3.7.1980 – IVa ZR 38/80 – BGHZ 78, 1 = DB 1980, 2187 = JR 1981, 105 = MDR 1980, 1006 = NJW 1980, 2461.
[267] BGH v....

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