Rz. 57
Anlass für die Probleme mit dem Fiskuserbrecht im Internationalen Privatrecht ist, dass dieses in einigen Staaten, insbesondere in England und anderen Staaten mit angloamerikanischem Rechtssystem, aber auch in Österreich und den Niederlanden, als hoheitliches Aneignungsrecht (Okkupationsrecht der Krone) an dem "herrenlosen" Nachlass (bona vacantia) ausgestaltet ist (öffentliches Anfallsrecht). Als solches ist es territorial beschränkt und erfasst in kollisionsrechtlicher Hinsicht das gesamte, aber auch nur das im Inland belegene Vermögen. In anderen Ländern – z.B. Deutschland und Spanien – ist das Fiskuserbrecht als echtes Erbrecht ausgestaltet (erbrechtliche Lösung), was bedeutet, dass der Staat nach dem Erbstatut Universalerbe wird und damit auch den Auslandsnachlass zu erwerben beansprucht.
Rz. 58
Wohl ausgehend von dem zivilrechtlichen Gestaltungsansatz im deutschen Recht wurde das Erbrecht des Staates aufgrund zivilrechtlicher Erbenstellung im deutschen IPR erbrechtlich qualifiziert, während das Anfallsrecht sachenrechtlich qualifiziert wurde und erst nachrangig zum Zuge kam, nämlich erst dann, wenn sich aus dem Erbstatut weder ein Erbrecht der Angehörigen noch des Staates ergab. In gleicher Weise hat der englische Court of Appeal im Fall Maldonado den extraterritorialen Anspruch des spanischen Fiskuserbrechts respektiert, so dass das Aneignungsrecht der britischen Krone mangels "Herrenlosigkeit" nicht zum Zuge kam. Hinterlässt umgekehrt ein Engländer Nachlass in Deutschland, greift das englische Okkupationsrecht wegen seiner territorialen Beschränkung nicht ein (Normenmangel). Der territorialen Konzeption lässt sich vielmehr eine versteckte Rückverweisung auf das deutsche Belegenheitsrecht entnehmen, so dass für den in Deutschland belegenen Nachlass § 1936 BGB gilt und das jeweilige deutsche Bundesland erbt.
Rz. 59
Art. 33 EuErbVO bestimmt nun, dass dann, wenn nach dem Erbstatut weder ein durch Verfügung von Todes wegen eingesetzter Erbe oder Vermächtnisnehmer für die Nachlassgegenstände noch eine natürliche Person als gesetzlicher Erbe vorhanden ist, dieses Recht nicht das Recht eines Mitgliedstaates oder einer von diesem Mitgliedstaat für diesen Zweck bestimmten Einrichtung berührt, sich das im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates belegene Nachlassvermögen anzueignen. Hieraus ergibt sich ein Vorrang für das nationale Okkupationsrecht des Belegenheitsstaates, und zwar auch in den Fällen, in denen das nach der EuErbVO bestimmte Erbstatut ein "echtes Erbrecht" des Staates vorsieht (vgl. auch EG 56 S. 3 EuErbVO). Das Staatserbrecht lässt sich also auch nicht über das Erbstatut nach den Regeln der EuErbVO gegen das hoheitliche Aneignungsrecht des Belegenheitsstaates durchsetzen. Letztlich könnte man darin die Erkenntnis vermuten, dass auch das staatliche Erbrecht ausschließlich auf einem staatlichen Privileg beruht und damit ebenfalls öffentlich-rechtlicher Natur ist. Diese Frage bleibt nach der EuErbVO aber wohl offen. Der deutsche Gesetzgeber hat dieser Einladung Folge geleistet. § 32 IntErbRVG bestimmt nun, dass bezüglich des im Inland belegenen Nachlasses ein territoriales Erbrecht des deutschen Staates eingreift und ein sich aus einem ausländischen Erbstatut ergebendes Erbrecht zugunsten eines ausländischen Staates nicht zu akzeptieren ist.