Rz. 68
Bei der Errichtung eines Testaments sind neben den materiellen Gestaltungsmöglichkeiten eine Reihe objektiver und subjektiver Kriterien zu beachten. So ist bei der Errichtung einer letztwilligen Verfügung zu bedenken, dass die getroffene Regelung möglicherweise erst Jahre später oder gar Jahrzehnte nach ihrer Errichtung zum Tragen kommt. Das heißt, dass der Berater bereits jetzt "unvorhersehbare" Entwicklungen so weit wie möglich berücksichtigen muss. Es können sowohl Veränderungen bei der bedachten Person eintreten als auch Veränderungen beim Vermögen des Erblassers. Des Weiteren können sich Gesetzesänderungen bzw. Änderungen in der Rechtsprechung ergeben.
Rz. 69
Setzen sich die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben und ihre Abkömmlinge zu Schlusserben ein, ist mangels anderweitiger Anhaltspunkte von einer bindenden Schlusserbeneinsetzung auszugehen, so dass der überlebende Ehegatte beispielsweise im Falle der Insolvenz eines Kindes keine Abänderungsmöglichkeiten hat. Um dem vorzubeugen, sollten daher entsprechende Abänderungsmöglichkeiten vorgesehen werden. Als Beispiel für Änderungen im Vermögen sei genannt, dass der Erblasser seine Ehefrau zur Alleinerbin beruft, jedoch zugunsten der Kinder Vermächtnisse in Höhe von jeweils 20.000 EUR aussetzt. Bei Testamentserrichtung lag das Vermögen bei 500.000 EUR. Die Vermächtnisse konnten daher problemlos zu diesem Zeitpunkt erfüllt werden. Im Zeitpunkt seines Todes ist lediglich noch ein Vermögen in Höhe von 40.000 EUR vorhanden. Im Nachhinein stellt sich die Frage, wie die Vermächtnisse zu qualifizieren sind. Sollen sie im Verhältnis Wert damals zu Wert heute angepasst werden oder soll die Ehefrau Alleinerbin werden und diese erfüllen, was möglich wäre.
Rz. 70
Werden in einem Testament z.B. konkrete Beträge aufgenommen, so macht es durchaus Sinn, eine Regelung dahin gehend zu treffen, was passieren soll, wenn sich der Wert des Nachlasses verringert. Dies kann in der Form geschehen, dass man den Wert des Nachlasses angibt und eine entsprechende Verringerung oder Erhöhung des Werts des Vermächtnisses anordnet. Geht es um ein reines Geldvermächtnis, hilft z.B. ein sog. Quotenvermächtnis.
Rz. 71
Im Hinblick auf immer fortschreitende Auslegungsmöglichkeiten und hierzu ergangene Gerichtsentscheidungen ist es für den Gestalter letztwilliger Verfügungen von zentraler Bedeutung, wie der Auslegung, insbesondere der ergänzenden Auslegung entgegengewirkt werden kann. Den tatsächlichen Willen des Erblassers zu ermitteln, ist zentrales Ziel der Auslegung. Für die Auslegung ist der Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung von Todes wegen maßgeblich. Der tatsächliche Wille des Erblassers ist vorrangig zu ermitteln. Maßgeblich hierfür ist die Vorschrift des § 133 BGB. Von der tatsächlichen Auslegung zu unterscheiden ist die ergänzende Auslegung. Diese greift in den Fällen ein, in denen es zu Veränderungen zwischen der Testamentserrichtung und dem Eintritt des Erbfalls gekommen ist. Letztendlich ist der Wille des Erblassers zu ermitteln, den er gehabt hätte, wenn er die Veränderungen, die später eingetreten sind, vorhergesehen oder bedacht hätte. Befindet sich beispielsweise ein bestimmter Gegenstand nicht mehr im Nachlass, weil ihn der Erblasser veräußert hat, stellt sich die Frage, ob im Wege ergänzender Auslegung der Veräußerungserlös als vermacht angesehen werden kann, und zwar für den Fall, dass sich dieser Erlös noch im Nachlass befindet. Daneben sollte bei der Abfassung von letztwilligen Verfügungen von Todes wegen beachtet werden, dass das BGB-Erbrecht eine Vielzahl von gesetzlichen Auslegungsregeln kennt. Ist der Wille des Erblassers bzw. des Testierenden nicht eindeutig, so greifen diese Auslegungsregeln ein. Um hier keine Überraschungen zu erleben, sollte der Berater sich keinesfalls auf die Auslegungsregeln verlassen, er ist vielmehr verpflichtet, die jeweiligen Problempunkte ausdrücklich anzusprechen.
Rz. 72
Ein Beispiel für eine derartige Auslegungsregel ist die Vorschrift des § 2069 BGB. Wurden seitens des Erblassers keine Ersatzerben berufen, greift § 2069 BGB ein. Danach sind die Abkömmlinge des Erben zu Ersatzerben berufen. Der Rechtsgedanke des § 2069 BGB wurde von der Rechtsprechung auch entsprechend, und zwar in ergänzender Auslegung, auf alle nahestehenden Verwandten angewandt.
Rz. 73
Es ist daher stets darauf zu achten, dass die korrekten juristischen Fachbegriffe eingesetzt werden. Wird z.B. ein Vermächtnis angeordnet, so ist daher zu formulieren "… erhält im Wege des Vermächtnisses". Handelt es sich um ein Vorausvermächtnis, ist klarzustellen, dass die Zuwendung ohne Anrechnung auf den Erbteil erfolgt. Bei der Teilungsanordnung sollte klarstellend geregelt werden, dass der Erbe den Gegenstand in Anrechnung auf seinen Erbteil erhält. Ein Testament sollte dahin gehend lückenlos sein, dass auch Ersatzpersonen benannt werden (Ersatzvermächtnisnehmer, Ersatzerbe etc.). Ist dies nicht gewünscht, sollte eine ausd...